Mein Reiseführer mit Schwimmflossen (https://www.spiegel.de/reise/europa/italien-die-besten-orte-zum-wildschwimmen-a-1208205.html) schwärmt von einem Naturstrand bei Manerba del Garda, einem Örtchen am Westufer. Nicht ahnend, wie naturnah es tatsächlich dort zugeht, werfe ich den Diesel an, winke den freundlichen österreichischen Nachbarn zum Abschied, tuckere langsam die „Hauptstraße“ des großen Campingplatzes entlang gen Ausgang. Rechnung bezahlen und dann ab auf die Landstraße.
In Manerba del Garda soll es einen Stellplatz in der Via Agello geben, weiß eine der üblichen Camping-Apps. Im Schritttempo nähere ich mich dem Ort, ganz am Rand des Küstenwaldes, gegenüber von einer kleinen Bar soll es sein. Ich entdecke eine große Wiese, abgesperrt mit einer Kette, zwei Kollegen stehen schon dort. Kaum habe ich den Motor ausgestellt, naht der Stellplatzbetreiber auf einem Fahrrad, die langen, dünnen Beine ragen aus knappen Shorts: Er hat seine Latifundien scheint’s gut im Blick.
Die Wiese ist riesig und fast leer, es gibt Wasser und Abwasserentsorgung, aber kein Klo, keine Duschen und keinen Strom. Macht nichts: Meine Paneele auf dem Dach erzeugen bei diesem Traumwetter mehr Energie, als Kühlschrank, Laptop, Handy ect. verbrauchen können. Meine Lithium-Batterien sind stets gut gefüllt. Und Baden kann man ja im Gardasee, da braucht es keine Dusche.
Kein Schatten auf der Wiese, um die 30 Grad: Zum ersten Mal kurbele ich die Sonnenmarkise heraus: „Libertu“ hat plötzlich eine Veranda und wirkt noch wohnlicher. Nach der Mittagspause und dem obligatorischen Cappuccicno aus der neuen Bialetti aus Como mache ich mich mit Strandmatte, Handtuch, Bikini, Wasserflasche, Hundefutter und Lektüre bepackt auf in den Küstenwald: Auf Trampelpfaden geht es durch Olivenhaine, dann das Steilufer hinunter zum Spiagga della Rocca: Dem Felsenstrand. Unglaubliche Ausblicke auf den mächtigen Lago di Garda eröffnen sich, auf die Felsenklippen unten, auf verlockend grünblau schimmerndes Wasser.
Unten angekommen sind die besten Plätze auf flachen Felsen im Schatten schon belegt, auffallend viele einzelne Herren sonnenbaden hier, statt der üblichen Gruppen, in denen die ItalienerInnen sonst so gerne unterwegs sind. Einige im Adamskostüm: Ungewöhnlich für Italien, Naturstrand halt.
Ich denke mir nichts Böses und quetsche mich mit meiner Yogamatte als Unterlage an den schmalen, steinigen Ufersaum. Schwimmen kann frau hier ganz wunderbar, aber die Stimmung ist irgendwie merkwürdig: Ein älterer Mann kommt den Pfad herunter, steht am Ufer und glotzt. Ein anderer, junger Typ mit Sonnenbrille ganz in meiner Nähe strahlt auch seltsame Vibes aus. Er hockt hinter einem Felsen, aber dass er sich munter einen runterholt, kriege ich trotzdem mit. Auf meinen lautstarken Protest hin zieht er seine Badehose wieder an und verzieht sich.
Mir reicht es hier trotzdem. Ich packe zusammen und balanciere die Uferfelsen entlang ein Stück weiter. Dort ist niemand, ich rolle meine Matte auf einem Stein aus. Doch kaum stecke ich die Nase ins Buch, ist da schon wieder ein Wichser. Wo kommt der denn jetzt her? Was ist denn hier los? Auf meinen Wutanafall hin packt er ganz schnell wieder ein und verschwindet behände wie eine Bergziege auf einem Pfad das Steilufer hoch. Aber der Traumstrand ist mir vergällt. Ich mag wilde Badestellen, aber hier ist mir zu viel Betrieb.
Auf der Kletterpartie nach oben schließt sich mir dann ein dritter Signore an: Er wohne in der Nähe und suche Freizeitpartner, erklärt er mir im gebrochenen Englisch. Grazie mille, kein Bedarf. Ob er mich denn am Abend in die kleine Bar einladen dürfe. Der Typ wirkt zwar nett, aber eingedenk meiner nachmittäglichen Erfahrungen gebe ich ihm trotzdem einen Korb. Mann o mann: Notstand am Gardasee….
Auf der Stellplatz-Wiese hat sich mittlerweile noch eine Handvoll mehr Camper eingefunden, das finde ich als Alleinreisende angesichts der Szenerie am Strand gar nicht schlecht. Darunter ein großes weißes Wohnmobil mit einer spanischen Großfamilie an Bord und ein selbst ausgebauter Kastenwagen mit einem sympathischen Pärchen aus Köln. Sie fahren auch einen Peugeot Boxer und so fachsimpeln wir fröhlich vor uns hin. Der Adblue-Tank wird sich bei Nachfüll-Bedarf von selber melden, versichern sie mir. Ich wundere mich nämlich: Vollgetankt bei Kilometerstand 24.000 und jetzt bin ich bei 30.000 und er tut keinen Mucks (meldet sich dann bei 32.000 in Apulien, zwei Monate später).
Am Abend muss ich noch ein bisschen arbeiten, die letzten Geschichten aus Deutschland fürs Deutschlandradio schreiben und schneiden. An der Markise baumelt ein LED-Lampion, den ich auch schon eine ganze Weile spazieren fahre und der nun endlich zu Ehren kommt: Ein gemütliches Büro unterm Sternenhimmel.
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