Am Brunnen von Sant’Ermo zapfe ich Trinkwasser, In Lari muss ich kurz einen Wolkenbruch abwarten, dann kaufe ich in der Salumeria eine herrliche Wildschweinsalami mit Fenchel (Italien ist einfach nicht das richtige Land, um Vegetarierin zu werden) und natürlich eine Packung der weltberühmten Martelli-Pasta. Ich muss ziemlich lange anstehen, weil die Inhaber mit jedem Kunden ein Schwätzchen über den neuesten Dorfklatsch halten, aber ich habe ja Zeit. Schön, wenn Menschen noch die Muße haben, in Ruhe miteinander zu sprechen und niemand deswegen drängelt, nörgelt, rumstresst.
Auf meinem Weg nach Süden (noch ist Sizilien mein Ziel, zum Überwintern) zieht es mich zurück ans Meer, das auch nicht weit ist. Nach gut 40 Minuten bin ich schon in Vada. Ich parke vor einem geschlossenen Restaurant ganz oben am kleinen Hafen: Erst einmal Wiedersehen feiern mit meinem geliebten mare. Es ist bewölkt und windig, die Brandung rauer als an der braven Adria auf der anderen Seite des Landes, der Himmel kleidet sich in dramatische Farben.
Wohin nun für die Nacht? Der Campingplatz Tripesce ist noch geöffnet, aber es muss ja nicht immer ein Campingplatz sein, noch sind die Batterien gut gefüllt von Sonne gestern und der Fahrt heute. Etwas weiter die Strandstraße herunter weist eine der Apps einen im Winter kostenlosen Stellplatz aus: Molino a Fuoco. Dort steht ein halbes Dutzend große weißer Wohnmobile auf einer vom Regen recht aufgeweichten Wiese. Überall große Pfützen, direkt an der Straße, einen Kilometer oder so vom Meer weg und irgendwie eine merkwürdige, lauernde Atmosphäre. Nö.
Ich lasse den Motor wieder an und finde einige hundert Meter weiter Richtung Strand in der Via die Cavalleggeri einen riesigen, nahezu leeren Parkplatz. Ringsum Ferienwohnungen, die verlassen wirken. In einer wohnt jemand, guckt neugierig, winkt aber freundlich zurück, als ich winke. Das werte ich als Geste des Einverständnisses und bleibe.
Endlos lange Sandstrände gibt es hier, Mitte Oktober menschenleer bis auf ein paar versprengte Spaziergänger, Angler und eine Handvoll hartgesottener Surfer. Und das Schöne ist, dass nicht riesige Hotelburgen am Rand stehen, sondern ein Streifen Pinienwald wächst. Im Sommer duftet es hier sicher herrlich.
Fast drei Monate koche ich nun im Van mit meiner kleinen, drei Liter-Gasflasche. So langsam ist sie vielleicht leer, denke ich mir, ich müsste sie wechseln. Das ist aber gar nicht so einfach, denn nahezu jedes EU-Land hat eigene Flaschen und Anschlüsse. In der VANTourer-Werkstatt in Imola wollten sie mir eine italienische Flasche für 70 Euronen verkaufen: nein danke. Ich fahre ein Örtchen weiter, nach Cecina, zum Bombolisten.
Der Gas-Lieferant, ein junger, schlanker Mann mit dramatischen Augen-Makeup, wirft einen Blick auf mein Flaschenfach in der Heckgarage und winkt ab: Das fasst er nicht an. Der Van ist nämlich wirklich gut durchdacht, hat aber ein paar Konstruktionsfehler. Und das winzige, enge Flaschenfach ganz hinten in der Heckgarage unterm Bett, an das man kaum herankommt, ohne sich das Kreuz zu verrenken, ist einer davon. Ich kann ihm gern die ausgebaute Flasche hinstellen und er füllt sie dann für 20 Euro auf und ich könne sie in zwei Tagen wieder abholen, meint der Signore. Grumpf.
Also erst einmal weiter, für diese erste Gas-Operation hätte ich gern professionellen Beistand. Ich bin mit Kristina in Marina di Bibbona verabredet, einen Ort weiter: Dort wohnt sie immer im Sommer in einem Wohnwagen auf einem Campingplatz. Heute ist ein schöner, sonniger Tag, fast sommerlich warm. Kristina relaxed am Strand und guckt einem ihrer Söhne beim Surfen zu. Wir treffen uns am Spätnachmittag an der Strandbar Jolly Beach zum Aperitivo. Jetzt um diese Jahreszeit könne ich wohl eine Nacht hier stehen, meint der Kellner. Also saluti!
Am Abend gesellt sich ein zweiter Kastenwagen aus der Schweiz zu mir, das war wohl einer zu viel: Am nächsten Morgen hat ein Anwohner in den Tau auf der Frontscheibe ein Stoppschild gemalt. Also mache ich mich aus dem Staub, nach einem Cappuccino mit Cornetto an der Jolly Bar und einen kurzen Spaziergang am Meer, soviel Zeit muss sein.
Jetzt muss ich mich aber mal ums Gas kümmern: Nicht, dass eines morgens die Bialetti kalt bleiben muss und es keinen Cappuccino gibt, das wäre ein Graus. Weitere 15 Kilometer weiter südlich ist der große Campingplatz Etruria noch geöffnet. In der Saison bieten sie einen Gasflaschen-Lieferservice, jetzt nicht mehr, für die paar Hanseln, die noch hier unterwegs sind, lohnt sich das nicht. Aber ein netter junger Angestellter des Campingplatz fummelt mir die Flasche aus dem Kasten, der Gaslieferant im Nachbarort Donoratico (Essemme Gas di Marchi Serena, in der Via Arturo Toscanini 7) kann deutsche Flaschen auffüllen: 12 Euro, heute Abend um 18:00 abholen: Hurra!
Mit der gefüllten Gasflasche an Bord steuere ich meinen Stellplatz wieder an. Etruria ist ein schön weitläufiger Campingplatz in einem Pinienhain. Mich hat der Ehrgeiz gepackt, die Flasche selbst wieder in den Kasten zu schrauben (zumal der freundliche Angestellte auch schon Feierabend hat). Aber wie ich das vermaledeite Ding auch drehe und wende: Das Fach ist einen Zentimeter zu niedrig ausgeschnitten, ich habe keinerlei räumliches Vorstellungsvermögen (warum passt eine Kommode hochkant durchs Treppenhaus? Keine Ahnung) und plage mich fluchend und schwitzend eine halbe Stunde vergeblich. Mist!
Da kommt Robert angeradelt, ein Nachbar, den ich vorhin am Strand bewundert habe, als er mit seinen Kids im Schlepptau frohgemut ins kalte Mittelmeer sprang. Auf diese Herausforderung reagiert er ähnlich aufgeschlossen: Klemmt sich die Stirnlampe an, quetscht sich in den schmalen Mittelgang des Vans, schiebt sich halb in die Heckgarage, werkelt eine Weile, vielleicht ein, zwei Minuten und schwupps: Ist die Flasche drin. Verdammt… Und danke Robert!
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