Der Gargano: Als ich Anfang November auf der Küstenautobahn nach Süden gen Bari fuhr, hockte er etwas bedrohlich im Westen: Dunkel bewaldete, ziemlich hohe Berge, viel größer, als ich ihn mir vorgestellt hatte – der Gargano. Das 2.000 Quadratkilometer große Vorgebirge entlang der Adria ist der Sporn des italienischen Stiefels.
Jetzt, auf dem Rückweg nach Deutschland, will aus mehreren Gründen dorthin: Auf einem Campingplatz bei Manfredonia sind Ariane und Peter, die ich im Salento kennen gelernt habe, und schreiben Gutes. Die Foresta Umbra im Nationalpark Gargano lockt mit Eichen und Buchen, nach Monaten mit Palmen und Kakteen auch mal wieder schön. Und meine liebe Freundin Simone urlaubte viele Jahre lang im Küstenörtchen Peschichi und schwärmt. Also auf zum Gargano.
Nach anderthalb Stunden bin ich schon da. Auf dem Campingplatz Lido Salpi ist noch ein Plätzchen neben Ariane und Peter frei und so feiern wir fröhliches Wiedersehen.
Der Strand ist endlos, schöne Muscheln sind zahlreich, Gäste rar gesät, es ist noch zu früh im Jahr. Nach vier Tagen Blick auf verschneite Gipfel wage ich einen Abstecher nach Monte Sant‘ Angelo, dessen Lichter oben auf dem Bergrücken wir abends immer schimmern sehen.
Monte Sant’Angelo …und seine Lichter
Die Straße windet sich in steilen Kurven, ich bewundere im Geiste Peter, der hier immer mit seinem Rennrad herauf strampelt: sportlich!
In Monte Sant’Angelo soll anno 492 der Erzengel Michael den Hirten erschienen sein, deswegen gibt es hier eine Wallfahrtskirche und eine Kapelle in einer Grotte. Heute ein verschlafenes Örtchen (zumindest Anfang März) war Monte Sant’Angelo im 11. Jahrhundert die Hauptstadt eines gar nicht kleinen Reiches der Normannen in Unteritalien. Der Wind pfeift eisig hier oben und es liegen noch Schnee-Reste in schattigen Winkeln.
Nach zehn Tagen breche ich endgültig auf, komme ich aber nur bis Mattinata, auf einen sonnigen Stellplatz am Kieselstrand.
Mattinata
Am nächsten Tag geht es weiter, die Straße Richtung Vieste windet sich an der Steilküste entlang, mit atemberaubenden Ausblicken. Fahrspaß pur!
Am Nachmittag erreiche ich Peschici, der private Stellplatz am Ortsrand ist eigentlich geschlossen, ich darf mich aber trotzdem hinstellen. Da habe ich Glück, denn die Orte kleben an der Steilküste und bieten wenig Platz zum Freistehen. Das maurisch wirkende Peschici ist wie ausgestorben: In den steilen Gässchen zwischen den weiß getünchten Häusern ist kaum jemand unterwegs, alle Bars, Restaurants und die vielen Andenken-Geschäfte sind geschlossen. Doch im Sommer tobt hier bestimmt das Leben.
Am nächsten Morgen fahre ich ein Stück zurück nach Süden, Serpentinen hoch in die Berge, in die Foresta Umbra: Eichen und Buchen, eine gänzlich andere Landschaft als im übrigen Apulien. In der Hitze des Sommers sicher eine kühle Oase.
Ich parke am Ende der Straße durch den Nationalpark und folge ein paar Kilometer einem schönen Wanderpfad. Eigentlich will ich hier übernachten, aber Claudia warnt: Die Nationalpark-Ranger kennen kein Pardon.
Da ich nur freistehe, wenn es die Locals nicht stört, fahre ich am Nachmittag noch weiter. Eine wunderschöne Strecke über Landstraße hinunter an einen der beiden großen Binnenseen des Gargano: Den Lago di Varano.
Hier finde ich Unterschlupf in einem großen Agriturismo, einer Olivenfarm mit Gästezimmern und Restaurant. Den großen See umgibt eine von vielen Vögeln besiedelte Landschaft aus meterhohem Schilf und Olivenhainen, Blumen blühen, der Frühling ist da. Netterweise schließt man mir am Morgen eines der nicht vermieteten Zimmer auf und lässt mich das herrliche Badezimmer nutzen: Mille grazie Agriturismo Biorussi!
Dann heißt es Abschied nehmen von Apulien: Ich fahre entlang der Adria auf der schmalen Landzunge, die die beiden Seen des Gargano vom Meer trennt. Noch ein kurzer Stopp am azurblauen Mittelmeer, dann starte ich auf der Küstenautobahn durch, an Pescara vorbei bis Controguerra – schon in den Abruzzen. Addio bella Pulia – Ritornerò!
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