Schock in Greve di Chianti und eine Nacht vor der Festung

10. Oktober 2020 | Italien

Am nächsten Morgen mache ich mich auf nach Süden, ins Chianti-Gebiet: Zwischen Florenz und Siena, im Herzen der Toskana, wird seit Jahrhunderten Wein angebaut. Der Chianti wurde zum ersten Mal im 15. Jahrhundert erwähnt, früher galt er den Deutschen als DER italienische Wein schlechthin und wurde in strohumflochtenen Flaschen verkauft. Marion Kammerloh-Raco hat mir von jungen Leuten erzählt, die bei Greve di Chianti Ziegen halten und Käse machen. Mit dabei Valentina, die gut Englisch spreche. Außerdem sei das Örtchen sehr hübsch und es gäbe eine Salumeria, die für Wildschweinsalami und -schinken berühmt sei: Nichts wie hin!

Greve di Chianti liegt nur 30 Kilometer südlich von Florenz, doch Obacht: Die Straße windet sich durch die Hügel der Toskana, es ist Samstag und Dutzende Rennradfahrer sind unterwegs: Eine Kurve falsch eingeschätzt, und man hat einen ganzen Verein auf dem Gewissen. Aber ich habe ja keine Eile. „Wenn es eng ist, mach langsam“, hatte mich auch der ADAC-Sicherheitsfahrtrainer ermahnt, als ich zu forsch rangierte.

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Der Stellplatz in der Via Montebeni liegt am Ortseingang, ich fahre aber erst einmal ins Zentrum und parke am Straßenrand, denn der Wäschesack ist voll und schwer, den will ich nicht ein paar Kilometer schleppen. Wieder finde ich im Waschsalon eine freundliche Angestellte vor, sie unterhält sich mit anderen Kunden über den Corona-Ausbruch im örtlichen Altersheim: Ohje, da brandet sie heran, die zweite Welle. Nur gut, dass hier alle diszipliniert Maske tragen und Abstand halten, auch auf dem Wochenmarkt.

Eine junge Verkäuferin am Gemüsestand spricht fließend Englisch, wir unterhalten uns über Bio-Landbau, der in Italien weit verbreitet ist. Die Anbauflächen sind oft so klein, dass über Quantität nichts zu gewinnen ist, nur über Qualität. Sie erklärt mir unbekannte Früchte und erzählt, dass sie auch hier in der Toskana den Klimawandel schon spüren: Es fällt weniger Regen.

Es gibt einen Stand mit herrlichen Trockenfrüchten und Nüssen, Biobauern verkaufen Schafs- und Ziegenkäse. Ihre Stände bleiben Mangels Touristen wegen der höheren Preise weitgehend unbeachtet: Italien hatte sich von der Finanz- und Wirtschaftskrise noch nicht wirklich erholt, als die erste Covid-Welle mit den harten Lockdowns zuschlug. Ziegen-Valentina ist nicht dabei: Ihr Hof verkauft heute auf dem viel größeren Markt in Pisa.

Die Wäsche ist fertig und kommt noch warm aus dem Trockner. In der Lavanderia kann man sie auf langen Tischen bequem zusammenlegen. Leider kostet der Spaß an die zehn Euro. Und zum Frisör muss ich auch, bin schon ganz verzottelt.  Als ich der Frisöse erzähle, dass ich im Camper unterwegs bin, beschließt sie, dass es doch praktisch ist, mir eine ziemlich radikale Kurzhaarfrisur zu verpassen.

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Noch skeptisch, mittlerweile finde ich es prima…

Erst bin ich geschockt, aber dann gefällt es mir ganz gut. Und praktisch ist es wirklich: Spart Wasser und trocknet schneller. Aber 32 Euronen, eieiei: Wie kommen die Italiener bloß über die Runden, bei solchen Preisen? Diesel kostet auch deutlich mehr als in Deutschland: Zwischen 1,20 und 1,30 Euro mindestens.

Noch ein Cappuccino auf der berühmten, weil dreieckigen Piazza von Greve. Drinnen im Restaurant sitzen Großfamilien an langen Tafeln, ohne Masken, ohweh.

Es ist früher Nachmittag, der Stellplatz wenig verlockend, ich habe Lust, noch ein bisschen die schöne Umgebung zu erkunden und durch Zypressenalleen, verwunschene Feldstein-Dörfer, Weinreben und Olivenhaine zu lustwandeln.

Das Castello di Montefioralle in der Nachbarschaft soll schön sein und auf dem Parkplatz könne man eine Nacht campieren, weiß eine App.

Das Castello ist eine auch heute noch bewohnte Festung, die mit Bars und Restaurants auf Touristen wartet. Auf dem Parkplatz treffe ich ein verstörtes Pärchen aus Frankreich: Die Seitenscheibe ihres Mietwagens wurde eingeschlagen, ihre Tasche mit Portemonnaie und Papieren ist weg. Wie kann man auch die Tasche nebst Geldbörse gut sichtbar im Auto liegen lassen, denke ich mir. Nicht ahnend, dass ich alsbald einen ähnlichen Fehler machen werde, mit ähnlichen Folgen.

Die beiden fahren ab, zu den Carabinieri, ich mache einen Rundgang durchs Castello.

Ich beschließe , trotzdem über Nacht auf dem Parkplatz zu bleiben: Die Langfinger werden wohl kaum so dreist sein, am selben Abend noch einmal wieder zu kommen. Und außerdem sind diejenigen, die einbrechen, ja meist nicht dieselben, die Camper mit Inhalt überfallen. Die Ankunft eines zweiten Wohnmobils beruhigt auch. Tatsächlich bleibt die Nacht friedlich, wenn auch laut, weil abends in der Trattoria des Castello eine Party steigt: der Parkplatz füllt sich. Morgens guckt der Nachbar gegenüber etwas finster, als ich bei geöffneter Schiebetür quasi vor seiner Haustür den Hund füttere. Also noch eine Runde durch den benachbarten Olivenhain und Weinberg, in dem noch die Reste der Lese liegen, dann mache ich mich aus dem Staub, zurück nach Greve.

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Idyllische Hunderunde mit Blick aufs Castello di Montefioralle

Auf dem Stellplatz in Greve angelangt, beginnt es zu regnen: Prima Timing, ich muss eh arbeiten und einen Radio-Beitrag über Corona in Bergamo schreiben. Durch die Regenschleier sehe ich, wie ein Mercedes Sprinter-Wohnmobil mit mächtig Bodenfreiheit ankommt: ein halber Meter, beneidenswert! Später stellt sich heraus, dass die Nachbarn aus der Schweiz kommen und die Zugmaschine von einer Spezialfirma haben ausbauen lassen. Hinterradantrieb haben sie natürlich auch….

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