Im März 2021 hält der Frühling Einzug in Apulien: Das Corona-Virus locker seinen Griff, die „Zona Rossa“ wird aufgehoben, man darf seine Heimatgemeinde wieder verlassen und auch zwischen den italienischen Provinzen (Bundesländern) wieder reisen. In den langen Wintermonaten sind Claudia, Marco und ich Freunde geworden, fast so etwas wie eine Familie. Der Abschied fällt entsprechend schwer. Dankbar, von Covid verschont geblieben zu sein und mit einer Träne im Knopfloch, packe ich mein Zeug vom kleinen Bungalow am Strand in Pizzo wieder in den Van, fahre noch einmal zum Haus der beiden (wo ich Libertu beinahe in allerletzter Sekunde an einem Trulli kaputtfahre, gottseidank ist der Peugeot Boxer robust) und biege dann heftig winkend in die Hauptstraße ein, diesmal Richtung Norden.
Es wird kein Abschied für immer sein: Die beiden und der Salento sind mir sehr ans Herz gewachsen, ich werde sicher einmal zurück kommen ins Land der Olivenbäume, der roten Erde, der Trockenmauern und des glasklaren Meeres. Doch nach vier sesshaften Monaten fühlt es sich zwar erst ungewohnt, aber auch sehr gut an, wieder unterwegs zu sein. Vielleicht muss man Nomadenblut haben, um dem Vanlife zu verfallen. Ein schwerer Fall von Fernweh bin ich auf jeden Fall. Und dafür gibt es nur ein Linderungsmittel: Den Zündschlüssel umdrehen und zum Horizont aufbrechen.
Mich zieht es in die Trulli-Stadt Alberobello, eines der touristischen Highlights Apuliens. Denen jage ich zwar nicht unbedingt nach, aber ich mag Trullis und möchte einmal ganz viele an einem Ort sehen.
Trulli sind kleine, weiß getünchte Rundhäuser aus Naturstein, in Trockenbauweise ohne Mörtel aufeinandergeschichtet. Oben haben sie schuppenartige Bruchsteindächer. Die Mauern sind dick und halten die sommerliche Hitze ab, die Fenster winzig. Früher bescheidene Unterkünfte für Vieh oder Feldarbeiter, werden sie heute als Ferienhäuser an Touristen vermietet.
In Alberobello bin ich die einzige auf dem Stellplatz, noch wirkt der Reisebann der „Zona Rossa“ nach. Auch die Trullistadt selbst (Weltkulturerbe der UNESCO) ist fast vollständig verwaist, die vielen kleinen Restaurants und Läden sind geschlossen.
Nach einer Nacht geht es weiter über Altamura zum Castel del Monte. In Altamura gibt es in einer uralten, höhlenartigen Bäckerei angeblich das beste Brot Apuliens. Naja: Der Backofen ist sieben Meter tief und den Bäcker das Pane de Altmarua mit langem Stiel da heraus fischen zu sehen, war schon interssant. Altamuras Altstadt ist auch sehr schön. Aber das Hartweizen-Brot ist weich und weiß und fluffig, nicht so meins. Die Foccacia allerdings ist großartig! Den Van habe ich am Rande der Altstadt an einer Ausfallstraße abgestellt. Als ich zurückkomme, hebt Kinu nicht mal den Kopf und schnarcht weiter. Toller Wachhund!
Gestärkt geht es weiter zum Castel del Monte: Schon von weitem sichtbar erhebt sich die „Steinerne Krone Apuliens“ aus der flachen Ebene – ein erhabener Anblick. Stauferkaiser Friedrich II hat das Festungs-Schloss im 13. Jahrhundert auf den einzigen Hügel weit und breit bauen lassen. Wozu, ist bis heute sein Geheimnis geblieben: Der Standort in der Ebene war strategisch nicht relevant, das Castel ist nicht befestigt. Was man aber weiß: Es ist ein perfektes Oktogon. Jeder der Ecktürme ist ebenfalls achteckig.
Der mächtige Bau aus hellem Sandstein strahlt eine magische Symmetrie aus.
Ich wollte das Castel del Monte sehen, seit ich vor vielen Jahren Horst Sterns Roman „Mann aus Apulien. Die privaten Papiere des italienischen Staufers Friedrich II., römisch-deutscher Kaiser, König von Sizilien und Jerusalem, geschrieben 1245 – 1250“ verschlungen habe:
Friedrich II., dessen Buch über die Jagd mit Greifvögeln bis heute ein Standardwerk ist, war ein Dichter und Gelehrter, galt als „Wunder der Welt“, lag mit dem Papst in Fehde, war geistig seiner Zeit um Epochen voraus. Eine faszinierende Gestalt. Auch an seinem „Castel del Monte“ bin ich die einzige Camperin. Ich stelle mich auf den Parkplatz des geschlossenen Restaurants. Ein Rudel großer Hunde lebt hier. Als Kinu meint, das Castel in Besitz nehmen zu können, erklären sie ihm kurz und bündig, dass das ihr Schloss ist. Nach langen Jahren bekommt mein Hund mal wieder eins auf die Mütze. Schreiend und weinend eilt er zum Van zurück, dabei haben sie ihn nur gezaust und angebellt. Kinu aber humpelt erbarmungswürdig und zittert wie Espenlaub: Er wir d alt, der arme Kerl.
Abends, es ist schon dunkel, klopft es heftig an die Tür, ich erschrecke zu Tode. Es ist der Nachtwächter des Restaurants, der mich darauf aufmerksam macht, dass erstens das Lokal am morgigen Samstag mittags auf macht, zweitens sein Chef schon früh morgens komme und drittens der ein Miesepeter sei, der keine Wohnmobile auf seinem Parkplatz möge. Ich könne seinetwegen bleiben, müsse aber früh verschwinden, damit er keinen Ärger mit dem Boss bekommt. Das mache ich dann auch: Um acht bin ich weg. Der Nachtwächter, ein älterer Herr, kommt aus dem Restaurant, als er den Motor anspringen hört, um zu fragen, ob ich gut geschlafen habe. Ach, Italien!
Soso, zum Gargano führe ich – da könne man sehr gut Fisch essen! Buon viaggio…
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