Groningen: Zwischen Grachten, Geschichte und Gegenwart

31. März 2025 | Niederlande, Städte, Umwelt & Klima

Interviews bei der Meyer Werft in Papenburg (für dieses DLF-Wochenendjournal hier https://www.deutschlandfunk.de/maritime-wirtschaft-wie-deutsche-haefen-und-werften-um-ihre-zukunft-ringen-100.html) führen mich in die Nähe der niederländischen Grenze. Die Termine in Papenburg sind an einem Freitag, warum also nicht mal Groningen besuchen. Die uralte Stadt, die schon 1040 das Münz- und Zollrecht verliehen bekam, steht immer ein bisschen im Schatten von Amsterdam und Rotterdam. Es sind nur rund 70 Kilometer, also los. Die Fahrt führt durch flaches Land, flach wie ein Tisch, flach wie Land, das der Mensch dem Meer abgerungen hat.

Das Zentrum von Groningen (knapp 250.000 Einwohner) soll bis 2025 klimaneutral sein: Laster müssen schon heute draußen bleiben. Etliche Kilometer vor der Stadt wird das Tempo auf 70 km/h gedrosselt, und am Rand der Autobahn locken große Schilder auf Park and Ride-Plätze.

Etwas außerhalb von Groningen finde ich einen schönen Platz auf einem Parkplatz an einem Sportzentrum. Der wurde leider mittlerweile gesperrt, aber ich kann Euch auch den Campingplatz mitten im Stadtpark empfehlen: Auch sehr schön ruhig, mit dem Rad ist man schnell in der Altstadt, und die Zwiebelsuppe im kleinen Restaurant am Platz ist göttlich! Den Campingplatz habe ich bei einer späteren Reise nach Noord-Holland ausprobiert, von der hier auch bald erzählt werden soll.

Der mehr als 140 Hektar große Stadtpark drumherum ist eine grüne Oase im Stil eines englischen Landschaftsgartens – mit verschwiegenen Wegen, kleinen Teichen, offenen Wiesen und üppigen Rhododendronhainen. Man findet Pferdekoppeln und einen kleinen Tierpark.

Am nächsten Morgen sattele ich meinen kleinen roten Drahtesel und über wunderbar breite Fahrradwege geht es ins Stadtzentrum. Die Radwege sind zweispurig: Kein Vergleich mit den nudeldünnen Streifen, die man in Deutschland Radfahrern zubilligt: In den Niederlanden ist das „Fiets“ gleichberechtigter Verkehrsteilnehmer. In einer Großstadt sehr beruhigend.

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Als erstes rolle ich zum Hauptbahnhof von 1896, der ist nämlich bezaubernd schön: Außen Neorenaissance, innen eine prachtvoll dekorierte Wartehalle, mit floralen Deckenmalereien in Jugendstil-Manier.

Dann geht es weiter zum Wochenmarkt auf dem „Grote Markt“: Es ist Samstag, trotz vieler Touristen dominieren die Groninger selbst das Marktgeschehen: Ein breites Angebot an Obst, Gemüse, Brot und natürlich jede Menge Käse. Die Stimmung ist entspannt, es duftet nach orientalischen Gewürzen und rund herum stehen auch ein paar Stände mit Klamotten und Souvenirs. Die Preise sind wie in Deutschland, manches ein bisschen günstiger.

Der Markt findet mit Blick auf die A-Kerk statt: Sie hat einen schön geschwungen wirkenden, 76 Meter hohen Turm.

Nichts gegen die 97 Meter, mit denen der Turm der gotischen Martinikerk aus dem 13. Jahrhundert über Markt und Altstadt thront – seit Jahrhunderten das Wahrzeichen Groningens. Die Einheimischen nennen ihn „Olle Grieze“ – Alter Grauer.

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Täglich erklingt ein schönes Glockenspiel vom „Martinitoren“, dem höchsten Kirchturm der Stadt. Von dem soll man eine großartige Aussicht über die Stadt und die Umgebung haben, aber ich war zu faul, da hinaufzuklettern.

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Der dazugehörende Kirchhof ist eine Oase der Ruhe und des Friedens. Im ehemaligen Bischofs-Sitz, dem Prinzenhof, logiert heute ein Luxushotel.

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Am Rand des Marktplatzes zeigt das „Goldkontor“ die Pracht der alten Hansestadt: Groningen war von 1200 bis 1600 eine der wichtigsten Hanse-Städte. Bis Amsterdam und Rotterdam ihm den Rang abliefen. Das Backsteingebäude mit der reich geschmückten Fassade mit Muschelverzierungen und geschwungenem Giebel war früher das Steueramt. Heute beherbergt es – viel angenehmer – ein schönes Restaurant.

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Die alte Stadt kann aber auch modern: Das Groningen Forum glänzt von außen mit aufregender moderner Architektur, kantig, asymmetrisch, Beton, Glas und Stahl. Ein mutiger Kontrast zur historischen Altstadt gleich nebenan. Das Kultur- und Wissenszentrum bietet der Stadtbibliothek Raum, der Touristeninformation, einem Kino und Ausstellungs- und Veranstaltungsräumen. Die Dachterrasse bietet einen 360-Grad-Blick über die Stadt, – und ist zum bei Sonnenuntergang im Sommer besonders beliebt.

Drum herum liegen moderne Wohnhäuser mit ebenfalls viel Glas und Stahl. Und eine Tiefgarage für Fahrräder mit einer Reifenreinigungsbürstenanlage. Radfahren wird großgeschrieben: Ganze Schwärme von „Fiets“ sind in hohem Tempo unterwegs, der schlendernde Tourist muss aufpassen, nicht unter die Räder zu kommen.

Mit mehr Fahrrädern als Einwohnern ist Groningen nach eigenen Angaben eine der fahrradfreundlichsten Städte Europas. Mit eigenen Radler-Brücken, grünen Wellen für Radfahrer und einer möglichst autofreien Altstadt.

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Auch das neogotische Hauptgebäude der „Rijksuniversiteit“ ertrinkt schier in einem Ozean aus Fahrrädern. 1614 gegründet ist sie eine der ältesten Universitäten der Niederlande. 35.000 Studierende aus mehr als 120 Ländern lernen hier.

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Wie es sich für eine Studentenstadt gehört, wimmelt es in den Straßen rund um die Uni von Kneipen, Cafés und Buchläden. Die Niederländer haben Groningen schon mehrfach zur besten Stadt für Studierende gewählt. Schwerpunkte der Forschung sind auch Erneuerbare Energien, Nachhaltigkeit und künstliche Intelligenz. Ein guter Ort für innovative Köpfe, so scheint es.

Hausboote auf den Grachten, Haschischläden, Gassen mit Kopfsteinpflaster und schöne Giebelhäuser: Groningen erinnert mich an Amsterdam im Kleinen. Es ist auch ein Shopping-Paradies: Überall Boutiquen und hübsche kleine Läden, vor allem Klamotten findet man reichlich, wenn man/frau an so etwas Spaß hat. Die Folkingestraat wurde zur „schönsten Einkaufsstraße der Niederlande“ gekürt.

Groningen leidet nicht wie Amsterdam unter Overtourism, ist eine alte und junge, schöne und lebendige Stadt mit freundlichen, entspannten Einwohnern: Gefällt!

Auch das kulturelle Angebot stimmt: Die nächste Station ist das Groninger Museum gleich gegenüber dem Bahnhof.

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Die kunterbunte Außenhülle ist ein Kunstwerk an sich: Den Würfelbau haben unter anderen Alessandro Mendini und Philippe Starck entworfen.

Neben vielen temporären Ausstellungen, die regelmäßig von sich reden machen, nennt es eine kleine, aber feine Sammlung alter Meister sein eigen. Es gibt eine Abteilung mit moderner Kunst:

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Für mich ein Highlight war die große Sammlung antiken europäischen, japanischen und chinesischen Porzellans. Die ständige Ausstellung „Pronken met porselein“ zeigt Stücke aus dem 17. und 18. Jahrhundert, abgetrennt mit mystisch wirkenden zarten Vorhängen: Eine schöne Idee.

4 Kommentare
  1. Liebe Vanja,
    wie so oft kommt Dein Blog-Beitrag im richtigen Moment: Unsere nächste Herbst-Tour sollte nach den Niederlanden und Belgien gehen. Aus Gründen wird es nur eine kurze, abgespeckte Version davon werden und warum nicht Groningen zum Anlass nehmen, sich darauf zu konzentrieren?! Danke Dir für den , wie immer, informativen Bericht und die visuellen Eindrücke, die Lust auf mehr machen.
    Bis bald mal wieder! Die Remstalnomaden

    Antworten
    • Liebe Birgit, freut mich. Groningen ist sicher eine Reise wert, oder auch Alkmaar und/oder Enkhuizen in Noord-Holland, da wären auch die traumhaften Strände der Westküste nicht fern: Berichte folgen! LG, Vanja

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  2. Liebe Vanja, ich war so lange nicht in Groningen. Dein schöner Reisebericht animiert mich, da bald mal wieder hinzufahren. Danke!

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    • Sehr gerne, liebe Wiebke – mach das. Liebe Grüße aus Zakopane, Vanja

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