Baskenland, Asturien, Kantabrien und Galicien: Der grüne Norden Spaniens

7. November 2021 | Spanien

Ich habe Frankreich mit ein wenig Wehmut verlassen und werde mit dem spanischen Baskenland nicht warm: Die Franzosen waren charmant und lustig, hier sind die Leute für mein Empfinden höflich, aber distanziert und kühl. Auch San Sebastian kann mich nicht begeistern: Der Stadtstrand ist zwar hübsch, aber die Uferpromenade dicht und auch hoch bebaut, viel Verkehr, mehrspurige Straßen, große Kreisverkehre, der Stellplatz rappelvoll. Mit Mühe quetsche ich mich auf einen der letzten Plätze, man steht Tür an Tür, das kann ich ja so gar nicht leiden. Also besorge ich mir eine spanische SIM-Karte (150 GB für 29,90,-) und sehe zu, dass ich Land gewinne.

Was mich aber berührt ist die baskische Freiheitshymne „Txoria txori“: Ich weiß nicht, wie oft ich sie mir angehört habe. Es ist die Vertonung eines Gedichts von Joxean Artze. Eigentlich geht es darum, dem anderen in einer Beziehung seine Freiheit zu lassen. Unter der Franco-Diktatur wurde es aber auch als Protestlied der Basken gegen die Unterdrückung verstanden und 1968 in San Sebastián (baskisch Donostia) auf die Servietten gedruckt (Franco herrschte unfassbarer Weise bis 1975!). Das Lied wird auch auf der französischen Seite des Baskenlandes mit Inbrunst gesungen:

Chant Basque – Hegoak – Izen Gabeak – YouTube

Ich hatte kurz überlegt, durch die Pyrenäen nach Porto in Portugal zu fahren, aber an der Küste locken prähistorische Höhlen mit Felsmalereien, die interessieren mich mehr als die großen Kathedralen entlang des Jakobsweges.

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Die Pyrenäen-Ausläufer im grünen und nassen Norden Spaniens

Als erste steuere ich die Höhle von Ekain an, 40 Kilometer westlich von San Sebastian, mit 14.000 Jahre alten Malereien.

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Hier üben sich die lieben Kinder im Speerwerfen

Ich komme an einem Freitagnachmittag an, aber nicht mehr hinein, weil sich schon zwei Schulklassen in der Höhle tummeln. Ich übernachte auf einem unwirtlichen Parkplatz in am Ortsrand, neben einer Fabrik.

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Bissl usselig, war aber sicher und ruhig nachts

Im Dorf hängen überall Plakate und Banner, die die Freilassung von ehemaligen ETA-Mitgliedern fordern (scheint‘s hat hier so gut wie jede Familie mindestens einen Angehörigen bei der ETA gehabt, so wird es mir am kommenden Tag von einer Anwohnerin geflüstert). 

Euskadi Ta Askatasuna – Wikipedia

Man spricht hier Baskisch, mein „buenos dias“ am nächsten Morgen wird geflissentlich überhört.

Zur Höhle ist es ein kurzer Fußmarsch durch die hügelige Landschaft der Pyrenäen-Ausläufer: Kleine Bauernhöfe hängen am Hang, Gemüsegärten und Heustadel liegen am Wegesrand.

Die Führung durch die Höhle, die eine Replik des streng geschützten Originals ein paar hundert Meter weiter ist, wird auf Spanisch gehalten – mir einzigen Ausländerin drückt man einen englischen Audioguide in die Hand. Die Höhlenreplik ist toll gemacht, mit beeindruckenden Lichteffekten, und die Felsmalereien, vor allem von Pferden, sind magisch und wunderschön. Doch obwohl das Skelett eines vor langer Zeit im Winterschlaf zusammengerollt gestorbenen Höhlenbärenjungen sogar echt ist, fällt es mir schwer zu vergessen, dass der Rest nur eine Nachbildung ist.

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Weil der arme Hund derweil im Van ausharren musste, fahre ich zurück an die Küste und lande in Laredo. Erstens finde ich den Namen gut, erinnert mich an einen Western, zweitens ist der Strand hier riesig, was den Fellkollegen auch sehr freut. Ich übernachte in Strandnähe in einem Wohnviertel am Straßenrand, was niemanden zu stören scheint. Abends laufen noch ein paar Leute zum Meer, dann ist Ruhe in dem Seitensträßchen.

Am nächsten Morgen finde ich auf der Hunderunde durch die recht hübsche Altstadt jede Menge Kneipen und ebenso viele Wandbilder: Da fördert jemand in der Stadtverwaltung wohl die Kunst.

Ein echtes Erlebnis sind die Höhlen von Monte Castillo, etwas landeinwärts auf der Höhe von Santander: 40.000 Jahre alte Malereien, mit die ältesten je entdeckten, darunter ein zauberhafter Fuchs, der einen Berg hinaufklettert, Pferde, Bisons und sogar Rentiere, die damals hier lebten: Magisch, denn El Castillo ist die Originalhöhle.

Zu den Führungen muss man sich vorher am Ticketschalter anmelden, sie sind auf Spanisch, aber wenn man weiß, um was es geht, versteht man ganz gut, auch ohne die Sprache perfekt zu beherrschen. Die Ockerfarben leuchten wie am ersten Tag, die Höhle selbst ist beeindruckend mit ihren Stalagmiten und Stalaktiten, die steinzeitlichen Künstler haben die Fels-Buckel geschickt genutzt, um den Tieren Perspektive zu geben: Faszinierend!

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Viele dieser Hände gehörten Frauen und Kinder – die Wissenschaft rätselt über die Bedeutung

Auch die Nachbarhöhle ist interessant, das Ticket gilt für beide Führungen. Und auf dem Parkplatz kann man übernachten, zumindest hat niemand etwas gesagt, als ich da einfach stehen geblieben bin.

Im hübschen Städtchen Llanes findet sich ein Waschsalon und ein Strand in der Nähe für die Mittagspause.

Als Übernachtungsplatz fahre ich Ribadesella an, denn hier lockt eine weitere Höhle, die mir empfohlen wurde: Tito Bustillo. Es gibt hier einen der in Nord-Spanien seltenen offiziellen Stellplätze, neben der Ausfallstraße und nicht schön, aber gratis. Leider ist es der 1. November und die Besichtigungssaison für die Höhle endet am 31. Oktober: Knapp verpasst und Pech gehabt. Stattdessen schaue ich mir das zweigeteilte Örtchen an: Ein Meeresarm trennt die beiden Hälften, über den eine Brücke führt. An der sanft geschwungenen Bucht des Stadtstrandes stehen schöne alte Villen. Im Sommer ist hier bestimmt viel los.

Ich überlege kurz, in den Nationalpark der Picos de Europa zu fahren, ein Kalksteinmassiv mit 200 bis zu 2.600 Meter hohen Gipfeln. Aber da ich ja nicht so gerne auf steilen Bergstraßen unterwegs bin und in Portugal ankommen will, lasse ich es mit einem Zwischenstopp am Mirador de Firo bewenden: Von hier aus hat man einen beeindruckenden Blick auf die „Gipfel Europas“. Auf dem Serpentinensträßchen hier hinauf überhole ich einen Mountainbiker im bunten Dress. Oben kommen wir ins Gespräch: Louis ist um die 50, wohnt unten an der Küste und fährt fast jeden Tag mit dem Rad hier hoch, um fit zu bleiben: Respekt.

Weiter geht es auf die mautfreie A 8, um entlang der Küste Strecke zu machen. Die A 8 ist mir unsympathisch, weil hier immer wieder WohnmobilfahrerInnen mit diversen Tricks zum Halten gebracht und dann beklaut werden, aber wat mutt dat mutt. Zentralverriegelung zu, auf gar keinen Fall anhalten, egal was passiert, und durch.

Aber das Problem ist dann ein anderes: Nicht nur regnet es so stark, dass die Scheibenwischer auf höchster Stufe hektisch herumwischen, das wäre nicht so schlimm. Doch es ist auch sehr windig, fast stürmisch, und die Autobahn führt über einen hohen Viadukt nach dem anderen: Damit überquert die A 8 an der zerklüfteten Costa Verde die Rias: Schmale, tief ins Land reichende Meeresarme.

Die Autobahnbrücken sind hunderte Meter hoch, der Wind ist mittlerweile so stark, dass es den Eukalyptusbäumen die Rinde von den Stämmen fetzt und die Botanik auf die Fahrbahn weht. Manche Böen sind so heftig, dass die Seitenwinde den Van trotz Druckluftfederung der Hinterachse Richtung Mittelspur schieben. Es ist kaum jemand unterwegs, aber das ist trotzdem gefährlich. Ich habe ja schon ein paar brenzlige Situationen mit Libertu bewältigt, aber jetzt habe ich zum ersten Mal richtig Angst am Steuer. Das umklammere ich so heftig, dass die Fingerknöchel weiß werden und ich später tagelang Schulterverspannungen habe. Gruselig. Also runter von der Autobahn, so schnell wie möglich.

Ich nehme die nächste Ausfahrt, irgendwo auf der Höhe von Avilés. Der erste Campingplatz, den ich im strömenden Regen anfahre, ist geschlossen, der zweite auch. Ein Parkplatz liegt zu nah am tosenden Meer. Entnervt und erschöpft erreiche ich einen Bauern in der Nähe am Telefon, der in der App Park4Night steht, weil er einen Platz für Camper bietet. Er spricht nur Spanisch, aber ich verstehe ihn so weit, dass ich kommen kann, der Platz noch frei ist: Gottseidank! Als ich den Bauernhof erreiche, dämmert es schon. Niemand ist da, nur ein Hund bellt. Egal, ich stelle mich neben den Stall und mache Feierabend – was für ein Tag!

Der nächste Tag wird friedlicher: Ich fahre nach Bares, zum nördlichsten Punkt Spaniens. Mittlerweile bin ich in Galicien. Wie das Landesinnere einmal aussah, kann man nicht mehr sagen, weil es flächendeckend zugepflanzt ist mit Eukalyptuswäldern in Monokultur. Schlimm, denn die Bäume saugen unheimlich viel Wasser auf und brennen im Sommer wie Zunder. Außerdem wuchern sie auf Kosten anderer, einheimischer Bäume. Doch sie wachsen schnell und ihr Holz lässt sich gut vermarkten: Wieder einmal regierte das kurzfristige Profitinteresse und das ökologische Desaster ist nun groß.

Doch Galiciens wilde Küste ist schön. Am Leuchtturm von Bares nächtige ich auf dem menschenleeren Parkplatz, behütet von zwei riesigen aber sehr friedlichen Herdenschutzhunden, die auf frei weidende Ziegen aufpassen. Nachts prasseln öfter mal Gewitterschauer auf Libertus Dach: gemütlich.

Auch der kleine Fischerhafen gleichen Namens, Porto de Bares ist sehr schön, stelle ich am nächsten Morgen fest.

Meinen 54. Geburtstag am 5. November feiere ich in Santiago de Compostela, dem großen Ziel der Pilger auf dem Jakobsweg. Ich kenne die Stadt und ihre berühmte Kathedrale schon, von einer meiner vielen Pressereisen nach Spanien. Mit dem Klapprad erkunde ich die Gassen der Altstadt und suche vergeblich Winterstiefel: Größe 41 kann frau sich in Spanien offensichtlich abschminken, grumpf. Gut, dass es bislang nicht besonders kalt ist.

Abends gehe ich mit einem netten Camper-Kollegen im Campingplatz-Bistrot zur Feier des Tages essen. Auch ohne neue Stiefel ist es ein schöner Abschluss meiner 12tägigen Reise durch den grünen Nordwesten Spaniens. Portugal: Ich komme!

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