Ohne Gas und Diesel zurück nach Norden – über die Abruzzen in die Toskana

31. März 2021 | Italien

In Contraguerra am Rand der Abruzzen lande ich rein zufällig, weil mir der Name gefällt und ich kurz zuvor mit einem lieben ehemaligen Kollegen telefoniere, der mir von einem schönen Agriturismo bei einer netten Familie dort erzählt. Nach langer Fahrt vom Gargano entlang der Adria am frühen Abend in dem Dörfchen angelangt, hat die Pension aber geschlossen. Müde und frustriert stehe ich im Hof herum, als oben ein Fenster aufgeht und der Großvater der Familie meint, ich solle mich doch einfach in den Garten stellen, für eine Nacht passe das schon. Gesagt, getan.

Bald wird es dunkel, in den Dörfern ringsum leuchten die Lichter auf, am Horizont dräuen die Abruzzen, harmlos rosa behaucht vom Abendlicht. Im vergangenen Herbst habe ich diese Berge aus der Schweiz kommend ja schon einmal überquert. Es war schön, die verfärbten Laubbäume haben wie Fackeln gelodert, aber die Hochstraßen über Schluchten und Täler ohne nennenswerte Leitplanken haben mir ganz schön Angst gemacht. Also habe ich ein bisschen Muffensausen vor morgen.

Ich starte früh, ohne von der gastfreundlichen Familie noch jemanden zu sehen, und folge stumpf der Route, die google Maps Richtung Toskana vorgibt. Ich halte Ausschau nach einer Tankstelle, denn viel ist nicht mehr drin, im Tank, doch ohweh: Weit und breit ist an der Schnellstraße in die Berge keine zu sehen. Das bleibt auch so: Erst auf der anderen Seite der Abruzzen tauchen wieder Tankstellen auf. Das ist aber nicht so schlimm, weil die Schnellstraße durch jede Menge lange Tunnel führt: Von den Bergen bekomme ich kaum etwas mit, die Steigungen sind minimal und so reicht die Restpfütze Diesel aus. Erfreulicher Weise verbraucht „Libertu“ auf Autobahnen deutlich unter zehn Liter.

Neuer Treibstoff ist also gefunden, doch es gibt einen weiteren Mangel: Meine kleine drei-Liter Gasflasche, die ich dank Dieselheizung nur zum Kochen brauche (und für den morgendlichen Espresso!) ist wieder einmal leer. Und weit und breit ist kein Campingplatz offen, der einen Wechsel- oder Auffüllservice hat. Die meisten hier oben im Norden öffnen erst im April.

Nun ist guter Rat teuer, da ereilt mich ein Hilfsangebot von Marc: Er ist Fotograf, mit Frau und Kind ein paar Monate im Wohnwagen unterwegs. Am letzten Tag in den letzten Minuten am Campingplatz Lido Salpi auf dem Gargano hatten wir uns an der Wasserstation kurz kennen gelernt. Nun sendet er seinen Standort auf einem der wenigen geöffneten Campingplätze in der Toskana und bietet die Mitnutzung seiner Gasvorräte an, bis ich mein Fläschlein irgendwo aufgefüllt bekomme. So soll es sein: Camper-Solidarität. Auf in die Toskana.

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Ein Riesencampingplatz nur für uns vier: „Le Soline“ in der Toskana

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Wenn Ihr mal einen guten Fotografen braucht: Marc Fippel arbeitet auch von unterwegs.

„Le Soline“ heißt der Campingplatz in der Nähe eines Dörfchens namens Casciano: Ein riesiges, terrassiertes, mit vielen Bäumen begrüntes Gelände, auf dem Marc und seine Familie und nun ich die einzigen Gäste sind. Raum, Ruhe und ein Privatbadezimmer für jeden: Luxus! Zumal Marc nicht nur tolle Fotos macht, sondern sich auch als begnadeter Grillmeister entpuppt, der mich mit durchfüttert.  

Und: Dort gibt es auch die heißen Quellen, die ich wegen Corona-Eile im Herbst verpasst habe und nun unbedingt besuchen möchte. Ich liebe heiße Quellen!

Die einzige Möglichkeit, deutsche Gasflaschen aufzufüllen, bietet sich im Touristenort Cecina unten an der Küste. Also mache ich mit unseren Flaschen einen Abstecher dorthin.

Die Flaschen gebe ich über Nacht ab und fahre ein paar Kilometer weiter nach Rosignano. Dort renoviert Giorgio Doveri nämlich gerade die kleine, idyllisch gelegene Pension Podere col di Leccio, die seine Schwester betreibt. Giorgio ist schon vor Jahren nach Lecce im Salento gezogen. Er ist Pizzica-Musiker und Chemiker, wir machen ein Interview über die vom Xylella-Bakterium übertragene Olivenkrankheit in Apulien und sprechen über die wilde Musik des Salento.

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Giorgio Doveri, Chemiker und Musiker

Ich quetsche den Van bei Giorgio auf das Grundstück und erlebe am nächsten Morgen einen großen Schreck: Kinu kommt von einem Streifzug durchs Gestrüpp blutüberströmt wieder! Ich denke an ein Wildschwein, eine Schusswunde und dass nun sein letztes Stündlein geschlagen hat. Das musste bei einem seiner undisziplinierten Schnüffeljagdausflüge ja passieren!

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Eine blutige Angelegenheit…

Da der sonst sehr wehleidige Hund aber ganz ruhig bleibt, gelingt es mir, recht gefasst nach der Ursache der Blutsroms zu suchen. Ich finde – ein eingerissenes Ohr. Das ist so gut durchblutet, dass das ganze Fell rot gefärbt ist. Ich drücke auf die Wunde, bis die Blutung nachlässt, desinfiziere den tiefen Riss und verklebe ihn mit Sprühpflaster. Das passt: In der engen Einfahrt zu Giorgios Grundstück werde ich mir am nächsten Tag eine tüchtige Schramme in den Van fahren. Aber da liegt ein herrlicher Trüffel-Abend hinter mir, so dass alles egal und kein Preis zu hoch ist.

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