Rat, Ruhe und Rebensaft: Gastfreundschaft in der Maremma

19. Oktober 2020 | Italien, Begegnungen

Nun ist guter Rat teuer: Wo bekomme ich so schnell wie möglich ein neues Fenster her? Und wo kann ich sicher stehen, solange man einfach die Schiebetür aufmachen kann? Ich habe noch Glück im Unglück, weil das Fenster aus zwei Schichten besteht und die Gauner nur die untere beschädigt haben: Dass das dunkel getönte Fenster ein Loch hat, durch das man die Schiebetür aufhebeln kann, sieht man auf den ersten Blick nicht, nur, wenn man nahe heran geht.

Wieder erweist sich Facebook als wirkliches soziales Netzwerk: Seit ein paar Tagen habe ich dort Kontakt mit Nina. Sie werkelt mit ihrem Freund Jaro auf der Azienda Agricola seiner Familie: Ein Weingut mit einigen hundert Olivenbäumen. Wir hatten eh ausgemacht, dass ich sie mal besuche. Als ich nun auf Facebook kurz vom Einbruch erzähle, bieten sie mir an, dass Jaro mal schaut, ob man die Tür irgendwie notdürftig sichern kann. Außerdem gäbe es bei ihnen in der Nähe, in Grosseto, eine Camper-Werkstatt, die vielleicht ein neues Fenster beischaffen kann. Das ist mit das Schönste auf dieser Reise: Die Hilfsbereitschaft, der ich immer wieder begegne.

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Gastfreundlich und hilfsbereit, und der Wein schmeckt auch super: Nina und Jaro

Die Aziena Acricola Bodo Bremer, VETLUNA, liegt bei Vetulonia in der Maremma, dem südlichen Teil der Toskana. Vorher fahre ich aber nach Grosseto, zur Werkstatt. Als ich auf der Schnellstraße Gas gebe, wundere ich mich über ein merkwürdiges Geräusch: Ein Sirren und Krispeln, was kann das sein? Plötzlich wird mir siedend heiß klar: Das ist das Fenster! Rund um das säuberlich ausgeschnittene Loch sind lange Risse und Sprünge vom gewaltsamen Aufhebeln der äußeren Schicht: Die reagieren jetzt auf die Erschütterungen (Straßen in Italien: Von Schlagloch zu Schlagloch rumpelt man des Weges). Das Geräusch des immer weiter aufreißenden Kunststoffes ist nervenzerfetzend. Vor meinem geistigen Auge fliegt bei Tempo 100 das Fenster in tausenden kleinen Splittern zur Schiebetür hinaus, ahhhhhrrrg.

Endlich in Grosseto angekommen, misst in der Werkstatt der Chef Allessandro das kaputte Fenster aus. Dann blättert er drei dickleibige Kataloge von Herstellern durch, bis er das richtige Ersatzfenster findet. Das blöde Plastikding kostet fast 300 Euro, und der Transport dauert eine Woche: Alessandro muss es in Norditalien bestellen. Kristina hat sich derweil dankenswerter Weise in Sant’Ermo ans Telefon gehängt: Bei der VANTourer-Vertragswerkstadt in Rom spricht man nämlich kein Englisch, ich konnte mich und mein Begehr nicht verständlich machen. In Rom hat man das Fenster nicht vorrätig, empfiehlt aber einen Teilehändler, der es angeblich in drei Tagen liefern kann. Je schneller desto besser, denke ich mir, versuchen wir also erst einmal das. Und tuckere erleichtert ein Stück zurück nach Norden, zu Nina und Jaro.

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Gegenverkehr ist nicht vorgesehen…

Das Weingut www.vetluna.eu entpuppt sich als uriges altes Steinhaus am Fuße eines Hanges inmitten von Weinreben, die Jaros Großvater vor 40 Jahren angepflanzt hat. Etwas später kommen auch Bodo Bremer und seine Frau Ute zur Olivenernte in die Maremma: Jaros Eltern.

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Oliven: Liefern leckeres Öl, machen aber auch viel Arbeit

Hier könnt ihr ein Gespräch mit Bodo Bremer über die Weine seiner Familie hören und die italienischen Spezereien, die sie via Onlinehandel von Hannover aus vertreiben, darunter auch die berühmte Martelli-Pasta:

Ich kann neben der Cantina, dem Weinkeller, sicher parken, heiß duschen, wir machen am nächsten Tag einen langen Spaziergang und abends grillt Jaro herrliche Salsicce am offenen Feuer: Grobe, köstlich gewürzte Bratwürste, die mir damals zum ersten Mal begegnen und nach denen ich mittlerweile süchtig bin. Die Dörfer wie Vetulonia liegen in der Maremma alle malerisch auf den Hügelkuppen, erzählt Jaro, weil die Ebene früher ein von Malariamücken verseuchter Sumpf war.

Dieser sichere Hafen hilft sehr, die üble Erfahrung des Einbruchs schnell zu verdauen. Und ein Test mit dem Gartenschlauch zeigt, dass das aufgebrochene Fenster soweit noch wasserdicht ist. Die ersten Herbstregen können also kommen, eine Sorge weniger.

Während sich in Deutschland meine Versicherung über den Fall beugt, kann Kristina allerdings den angepriesenen Teile-Händler nicht erreichen: Er geht nicht ans Telefon und ruft auch nicht zurück. Also fahre ich nach zwei Tagen wieder nach Grosetto und bestelle das Fenster bei Alessandro, gegen Vorkasse.

Bei ihm in der Werkstatt treffe ich Tereza und Danny aus Berlin: Eine schicksalhafte Begegnung, wie sich noch erweisen wird, herbei geführt von der Aufbaubatterie ihres kleinen, alten Wohnmobils. Sie will nicht mehr so recht aufladen. Die beiden erzählen mir von dem Campingplatz am Meer, auf dem sie stehen: Maremma Sans Souci in Castiglione della Pescaia: Sorgenfrei? Das klingt doch gut.

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