Meine Freundin und Kollegin Imke hatte vor einigen Jahren auch die Nase voll von dem Stress und der Hektik in Berlin. Sie ist in ihre friesische Heimat zurückgekehrt, ins beschauliche Städtchen Jever. Am 30. Juni fahre ich Richtung Nordseeküste, denn Imke und ich wollen für den Deutschlandfunk das Thema Klimawandel im Land der Deiche und Siele näher beleuchten.
Der steigende Meeresspiegel zwingt die Friesen für Millionen von Euro ihre Schutzwälle zu erhöhen, erzählt uns Deichrichter Jan Steffens in Harlesiel. Knapp zehn Kilometer sind es in seinem Beritt, die laut neuer Berechnungen um einen Meter erhöht werden müssen. Kostenpunkt pro Kilometer: Drei Millionen Euro.
Die Deiche sind das eine, die Siele das andere: Durch diese Entwässerungskanäle fließt das Wasser aus dem Binnenland ab. Oder wird nach Starkregen herausgepumpt, wie uns Jens Higgen erklärt, Schöpfwerksmeister in Neuharlingersiel. Wenn es in Strömen gießt, muss der Herr der Pumpen im Kampf gegen die Wassermassen los, um die mächtigen Motoren anzuschmeißen, auch mitten in der Nacht. Die beiden blauen Pumpen in Neuharlingersiel stammen aus den 60er Jahren. Wenn die Klimaexperten Recht haben und Starkregen in Zukunft immer öfter fällt, dann braucht es eigentlich neue, leistungsfähigere Pumpen überall in den Schöpfwerken an der Nordseeküste. Auch das wird sehr, sehr teuer werden.
Apropos Regen: Für Menschen, die Brandenburger Hochsommer (heiß! trocken!!) gewöhnt sind, ist das Klima an der Küste ein Schock: Regen, Regen, Regen. Und 13 Grad. Im Juli! Selbst die sturmerprobten Friesen jammern. Wir schmeißen die Heizung wieder an und ich krame die dicken Socken aus dem hintersten Fach im Van.
Doch bei der Recherche zum Nationalpark und Weltkulturerbe Wattenmeer habe ich Glück: Der Himmel reißt gnädig auf. An einem windigen, sonnigen Tag begleite ich Guide Joke Pouliart auf eine Wanderung mit einer Gruppe ins Watt.
Ein einzigartiges Ökosystem, 10.000 hoch spezialisierte Arten. Für den „Länderreport“ gehen wir der Frage nach, wie sich der Naturschutz mit dem Massentourismus an der Nordseeküste verträgt:
In diesem Corona-Sommer ist der Ansturm ja besonders groß: Allein ein Drittel mehr Camper zählen die Touristiker. Auf den Stellplätzen direkt am Wasser stehen die Wohnmobile zu Dutzenden. Ins hübsche Städtchen Jever dagegen, nur zwölf Kilometer landeinwärts, verirren sich nur einzelne.
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