Wildes Hufgetrappel, dann stürmen sie an mir vorbei: Fünf weiß-graue Andalusische Riesenesel im vollen Galopp und in ihrem Gefolge Robert Nestmann, ebenfalls galoppierend. In einer Staubwolke verschwinden alle sechs um die Kurve. Still liegt die kleine Nebenstraße in der Sierra de Monchique wieder da, Roberts zur Disziplin mahnende Rufe sind in der Ferne zu hören – bis die Esel wieder um die Kurve biegen. Mit ein paar Äpfeln kann ich sie zum Bleiben bewegen, mehr noch: Sie werden ganz zutraulich und auch zudringlich. Außer Atem erscheint ihr Hüter kurz danach ebenfalls wieder auf der Bildfläche: So stürmisch hat ein Interview schon lange nicht mehr angefangen.
Robert und sein Sanctuary Happy Donkeys hatte ich vor ein paar Wochen auf google maps entdeckt, als ich auf der Flucht vor den Bausünden an der Küste schon einmal in der Gegend war und einen Platz zum Übernachten suchte. Weil er an dem Tag auf einer Eselswanderung unterwegs war, bin ich dann aber woanders gelandet: Auf dem mystisch vom Nebel umwallten Parkplatz des Ausflugslokals auf dem Foia, des höchsten „Berges“ (902 Meter) der Algarve.
Nun klappt es aber mit unserem Treffen: Begleitet von den frei laufenden Eseln wandern Robert und ich einen Weg in ein Tal hinunter, auf dessen Grund ein Bächlein plätschert. An dieses Wasser in dem ansonsten knochentrockenen Wald wollte sich Robert Nestmann mit seinen Eseln auch an dem Tag retten, als im August 2018 das große Feuer ihn und seine Tiere erreichte.
Robert lebte damals in der Nähe von Alferce auf einem Grundstück, das ihm eine portugiesische Familie für die Esel zur Verfügung gestellt hatte. In einem Haus ohne Strom und fließend Wasser. Er hatte in Jahre langer Arbeit einen Garten angelegt, zog Gemüse und Kräuter. Zu dem Bachlauf hätte er es durch die Flammen nicht mehr geschafft, ein Freund warnte ihn.
Robert floh stattdessen Richtung Caldas de Monchique. Als der Rauch immer dichter wurde, legten sich die Esel hin, erzählt er, mit der Nase dicht über den Boden. Dort war die Luft noch am frischesten. Robert und alle seine Esel überlebten unverletzt. Doch der Permakultur-Garten, alle Futtervorräte, Zäune und Material wurden ein Raub der Flammen.
Während wir es uns auf einer Decke am Bachufer in der Sonne gemütlich gemacht haben, wandern die fünf Andalusischen Riesenesel frei herum und zupfen Blätter von Bäumen und Sträuchern. Sie sind eine Familie: Hengst, Stute und drei ihrer Nachkommen. Robert ist schon lange mit ihnen unterwegs: Der 48Jährige wuchs in Nordrhein-Westfalen auf, in einem Dorf an der Grenze zu den Niederlanden.
Zu seinem ersten Esel kam er, als er im Alter von 30 Jahren auf der Suche nach einem besseren und gesünderen Leben Deutschland verlassen hatte. In Andalusien arbeitete Robert auf einem Landgut und produzierte Olivenöl, Honig und Trockenfrüchte.
Weil ein Esel allein nicht glücklich ist, kam bald ein zweiter dazu. Nach und nach entwickelte sich so ein Eselschutzhof. Robert lebte einige Jahre mit seinen Tieren in einem Nationalpark in Andalusien, dann wanderte er über hunderte von Kilometern mit den Langohren nach Portugal. Immer auf der Suche nach Ruhe, Natur und guter Luft. Auf dem dicht besiedelten und intensiv genutzten europäischen Kontinent sei das immer schwerer zu finden, sagt Robert. 2015 ließ er sich in der Nähe des Städtchens Monchique im Hinterland der Algarve nieder, denn hier gibt es keine luftverschmutzenden Fabriken.
Robert bietet für gestresste Großstädter Wanderungen mit seinen Eseln an. Die Ruhe und Zufriedenheit der frei laufenden Tiere übertrage sich auf die Menschen. Sie kämen zur Ruhe und zu sich, meint Robert. Und wenn man ihn mit Leckerlis locke, statt mit Druck zu etwas zwingen zu wollen, sei so ein Esel auch gar nicht stur.
Robert konnte nach dem Feuer mit Hilfe von Spenden einen zweiten Zufluchtsort für seine Esel und sich aufbauen. Doch er plant zurzeit, sich wieder mit ihnen auf die Walz zu begeben: Zurück nach Spanien. Das Nachbarland ist so viel größer als Portugal, dort gebe es noch mehr unberührte Wildnis. Die rund um Monchique wuchernden Eukalyptus-Plantagen, diese fatalen Monokulturen, haben ihm die Gegend doch ziemlich verleidet. Und das nächste große Feuer hier ist ja auch nur eine Frage der Zeit.
Seine erneute Wanderung will Robert bei Facebook und Instagram mit Fotos und Videos dokumentieren. Zu seiner Homepage geht es hier entlang: http://www.happy-donkeys.com.
Wenn es Euch in die Gegend um Monchique verschlagen sollte: Im Dorf Alferce sind Camper willkommen. Es gibt einen kostenlosen Stellplatz am Ortsrand und eine heiße Dusche im Gemeindezentrum. Obrigada Alferce!
Robert mit seinem Riesenesel : ein – in diesen Zeiten- unendlich friedlich anmutendes Foto- einen freundlichen Gruß von mir.
Marianne