Wieder einmal zwingt das Virus mich, die Reisepläne zu ändern. Eigentlich wollte den April in Südtirol verbringen: Frühling auf der Alm. Doch dort sind immer noch viele Corona-Beschränkungen in Kraft, spontanes Reisen kaum möglich, darum entscheide ich mich, auf dem schnellsten Weg zurück nach Deutschland zu fahren: Durch die Schweiz, trotz der teuren Vignette.
Im Herbst 2020 habe in den Gotthard-Pass nicht gefunden, diesmal sind die Alpen-Pässe wegen der Schneelast noch gesperrt. Darum führt mein Weg wie im vergangenen Herbst wieder durch den Gotthardtunnel. Nicht originell, aber ich habe kein gesteigertes Interesse, die Schweiz besser kennen zu lernen: Ich nehme ihr übel, dass sie nicht Italien ist, so albern und ungerecht das auch sein mag.
Prompt wird es unangenehm: Kurz vor dem Gotthardtunnel steuere ich einen kleinen Campingplatz an. Es ist ein sonniger Nachmittag, ich mache einen Spaziergang mit Kinu. Stundenlang könnte man hier wandern, aber die Berge sind ja nicht so meine Welt.
Bei der Rückkehr zum Campingplatz sehe ich eine Frau mit ihrem schwarz-weißen American Staffordshire Terrier spielen und dabei ein Video für Insta oder Facebook drehen. Der Hund sieht uns und geht blitzartig und ohne Anlass zum Angriff über, rast heran und springt Kinu an die Kehle. Na wunderbar. Manchmal trifft der Begriff Kampfhund eben doch.
Die Amstaffs mögen liebevolle Familienhunde sein, aber die Rasse wurde ursprünglich für den Hundekampf gezüchtet und das zeigt sich nun auf diesem sonnigen Berghang. Die Besitzerin schreit wie am Spieß und versucht ihre bildhübsche junge Hündin zu packen, vergeblich. Sie schlägt mit der Leine auf das rasende Tier ein, ich trete mit den Wanderstiefeln zu, rutsche dabei aber leider am steilen Hang aus und knalle mit dem Rücken auf die Wiese: Schnappatmung. Kinu wehrt sich seiner Haut mit allem was er hat, und zu dritt können wir die Hündin schließlich bändigen. Das wäre nun kein so nettes Video für Insta und Co. gewesen.
Dank Kinus Schnelligkeit und Wendigkeit konnte sich der Amstaff nicht in seine Kehle verbeißen und das dicke Fell dort hat ihn zusätzlich geschützt: Ich finde keine offene Wunde. Die junge Schweizerin entschuldigt sich 1000mal auf Italienisch, lädt mich zum Kaffeetrinken in ihr Haus ein, aber ich habe keine große Lust auf eine nähere Bekanntschaft, no grazie. Während ich mich von dem Schreck erhole und alle Knochen spüre, wälzt der Attackierte sich vergnügt im Frühlingsgras: Unser kleines Rudel hat gemeinsam gekämpft und gesiegt, das findet er offensichtlich großartig. So wie er es ja auch immer sehr zu schätzen weiß, wenn ich sich ihm aggressiv nähernde Hunde verscheuche.
Alt, aber noch nicht hilflos! Kinu feiert unseren Sieg…
Am nächsten Morgen spüre ich die Prellungen vom Wiesenkampf, habe Rückenschmerzen, kann aber fahren und düse wieder einmal durch den Gotthardtunnel. Dann malerisch am felsigen Ostufer des Vierwaldstättersees entlang, durch viele Tunnel, sehr viele Tunnel. Dieses Land ist durchlöchert wie ein Käse, murre ich übellaunig vor mich hin.
Wo Gipfel…. …da Tunnel
An Schwyz und Zürich vorbei, Mittgaspause auf der hässlichsten Raststätte, die ich je gesehen habe, und das will etwas heißen. Nach drei Stunden bin ich bei Schaffhausen an der Grenze, überlege kurz den Rheinfall anzuschauen, aber Nieselregen hat eingesetzt und ich keine rechte Lust.
An dem kleinen Grenzübergang fragt mich ein blutjunger Polizist, wo ich herkäme, aus der Schweiz, aha. Er winkt mich rüber, von Corona, Tests, Quarantäne ist keine Rede. Nach sieben ereignisreichen, manchmal schwierigen, doch wunderbaren Monaten bin ich wieder zurück in der Heimat. Es ist schön, mal wieder die eigene Sprache zu sprechen, doch noch wirkt alles fremd: Die Farbe der Autobahnschilder, die aufgeräumte Landschaft, das Schmuddelwetter. Ich freue mich auf Freunde und Familie. Und vermisse Italien jetzt schon.
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