Freitag, 10. Januar 2020
Nach einer gemütlichen Nacht auf dem Stellplatz der Saarland-Therme, in der immer wieder Regen anheimelnd aufs Dach trommelte, passiert es dann am nächsten Morgen, bei der dritten und letzten Tankspülaktion: Das erst am Montag in Friedberg ersetzte Überdruckventil des Boilers verabschiedet sich, wieder plätschert das Wasser unter dem Bauch des Vans heraus. Damit ist klar: Ich muss die Reise unterbrechen, das gesamte Wassersystem muss ausgetauscht werden. Der Händler sieht das nun auch ein, und da die Teile mehrere Wochen Lieferfrist haben, macht es keinen Sinn, die Operation in einer Werkstatt hier in Süddeutschland machen zu lassen. Also heißt es zurück nach Brandenburg. FRUST!
Zu dem Zeitpunkt denke ich noch, dass ich nach der Reparatur wieder aufbrechen kann: Eine hilfsbereite Kollegin, die fließend Spanisch spricht, hat dankenswerter Weise bei der Reederei FRS in Huelva angerufen und herausgefunden, dass mein Ticket nach Teneriffa ein ganzes Jahr gültig ist und jederzeit für eine relativ schmale Gebühr storniert werden kann. Trotzdem ist es niederschmetternd, so kurz vor der französischen Grenze umzukehren, Bordeaux und das Meer schon in Reichweite.
Aber es hilft ja nichts, wat mutt, dat mutt. Ich konsultiere google maps und beschließe, in Thüringen am Fuß der Wartburg zu übernachten, was ich ja auf dem Hinweg schon vorhatte. Gemeiner Weise muss man dazu in Saarbrücken kurz auf die Autobahn Richtung Metz/Paris, dann ab Richtung Frankfurt/Main, heul! Jede Menge Lastwagen, es ist Freitag, die dunklen Wolken am Himmel entsprechen der Gemütslage.
Am Nachmittag erreiche ich ohne weitere Zwischenfälle die hübsch sanierte Altstadt von Eisenach. Die Wartburg kenne ich: Ich habe früher mal drei Jahre für dpa in Thüringen als landespolitische Korrespondentin gearbeitet. Lange bevor das kleine Land weltweit Schlagzeilen machte, weil FDP und CDU sich hier mit der AfD ins Bett gelegt haben, um eine linke Regierung zu verhindern und selbst an die Macht zu kommen.
Bei der Anfahrt auf das trutzige Wahrzeichen bin ich froh, den Peugeot Boxer mit der 160PS-Variante zu haben: Die Zufahrt durch den Wald ist steil, der Van wiegt drei Tonnen, doch wir rauschen beschwingt empor. Das gilt leider nicht für den Fußmarsch vom Parkplatz hinauf zur Burg: Die Holzstufen regennass und glitschig, das Licht dämmrig: Ich lege mich einmal gepflegt lang, vergesse beim Abfangen den zerschnittenen Finger, autsch. Ein toller Tag…
Oben angekommen hat das Burg-Café schon zu. Der Magen knurrt, wohin nun in der kalten Dunkelheit? Es bleibt nur das im historischen Denkmalgemäuer angesiedelte edle 5-Sterne-Hotel. Die Empfangsdame, wie aus dem Ei gepellt schwarz uniformiert, beäugt unauffällig meine vom Sturz in Mitleidenschaft gezogenen Jeans, die von Diesel-Spülaktionen angeschmuddelte Windjacke, die nassen Wanderstiefel sowie den Hund – und weist mich ins Kaminzimmer. Dagegen ist aber gar nichts einzuwenden: Ein Ethanol-Feuerchen flackert dort, Samt bezogene Sessel, Bücherregale, gemütlich wie in einem Wohnzimmer. Womöglich hat hier schon Luther die Bibel übersetzt und mit Tinte geworfen?
Dort sitze ich erschöpft aber friedlich bei einem Köstritzer Schwarzbier und einem Schüsselchen Erdnüsse, als eine Hochzeitsgesellschaft hereinströmt: Die Damen alle mit sehr langen Haaren und sehr kurzen Röcken plus Stöckelschuhen, die Herren ausnahmslos mit getrimmten Kurzhaarfrisuren und gepflegten Vollbärten. Ich falle mit meinem Camperlook ein klein wenig aus dem Rahmen und werde denn auch gebeten, das Sofa vorm Feuer zu räumen, man wolle Fotos machen, ob ich so freundlich…
War ich natürlich und verzog mich in eine Fensternische, das Spektakel zu bestaunen. Dann fiel mir ein, dass ich noch eine halbe Pizza (vom Rastplatz Wetterau, auf der Höhe von Bad Nauheim, sie backen dort richtig leckere Pizza, frisch im Steinofen: Süddeutschland hat wirklich eine andere Esskultur als der Osten. Auf Brandenburger Raststätten gibt es schlimme Schnitzel, olle Currywurst und labbrige Pommes) im Kühlschrank habe und machte mich auf den Weg abwärts.
Am nächsten Morgen noch eine Stunde mit dem Hund durch den Wartburg-Wald gekraxelt, immer wieder schöne Blicke auf die imposante Burg, dann ging es auf die Autobahn Richtung Berlin. Um 14:00 war ich wieder da, wo ich vor einer Woche losgefahren war. Kein erhebender Moment. Aber: In dieser Woche habe ich so viel erlebt, dass es mir viel länger vorkam. Das schaurige Dieselgate, aber auch viel schöne Hilfsbereitschaft und Gastfreundschaft.
Ach wie schade, andererseits…..was ist das positive an der Situation? Dann hätte dich dieser ganze C-Mist hätte tief sonst irgendwo ausgebremst….wäre auch nicht unbedingt erstrebenswert. So kann das Auto wieder fit gemacht werden.
Ich hab hier schon ein paar Mal geschaut, ob dein Blog weiter belebt wird. Ich drück weiter die Daumen, dass alles gut wird und du deine Pläne umsetzen kannst.
Lieben Gruß Corinna (ich bin die, die mit beim ADAC war… der andere graue 😉
Liebe Corinna, Recht hast Du: Ich wäre sonst Anfang März auf El Hierro gewesen und hätte in aller Eile zurück hetzen müssen, durch ein Spanien und Frankreich im Seuchenmodus.
Der Van hat mittlerweile ein funkelnagelneues Wassersystem, und ich warte in aller Ruhe, dass Europas Grenzen sich wieder öffnen. Das neue Ziel ist Italien nebst Überwinterung auf Sizilien. Schaun mer mal, ob das diesmal klappt. Wenn dieses Drama mich eins gelehrt hat, dann nicht zu viele detaillierte Pläne zu machen, wozu ich neige ;-).