27.07. – 08.08. 2020
Nein, mit einem Wohnmobil in der Innenstadt von Kiel herumfahren, das macht keinen Spaß. Auch wenn der Van „nur“ 5,99 Meter lang ist. Der NDR ist schnell gefunden, aber wohin mit meinem Grauwal? Schräg gegenüber am Ostseekai werde ich fündig. Beeindruckend, die dicken Pötte, die hier liegen. Kreuzfahrten sollen ja demnächst auch von Kiel wieder starten. Dann mal viel Spaß in Corona-Zeiten…
Im Landesfunkhaus werde ich schon erwartet, man händigt mir freundlich den Schlüssel zum Deutschlandradio-Korrespondentenbüro aus – falls ich mal aktuell berichten muss und die Studiotechnik brauche. Beiträge und Reportagen kann ich autark im Van produzieren.
Malte gab mir den Tipp, mich am Bülker Leuchtturm direkt an die Kieler Förde zu stellen. Gesagt, getan. Mann, ist das schön hier! Die Kieler Förde hatte ich mir grau und langweilig vorgestellt, doch sie kann ja locker mit dem Darß mithalten. Und kaum ein Mensch am Strand.
Übernachten darf man hier eigentlich nicht, aber weil ein halbes Dutzend anderer Camper abends auch einfach stehen bleibt…. hüstel.
Am nächsten Tag geht es weiter zu den Sorgwohlder Binnendünen, wo ich auf dem Milchschafhof der Familie Solterbeck übernachte. Der Hof ist seit 400 Jahren in Familienbesitz, vor einiger Zeit haben sie von Schweinen auf Milchschafe und Bio umgestellt. Die Schafe stehen Schlange vor der Melkmaschine und im Hofladen gibt es köstlichen Käse aus ihrer Milch.
Tags drauf komme ich in Büsum an: Zurück an der Nordsee. Zum ersten Mal auf einen richtigen, offiziellen Stellplatz. Der ist ganz nett, mit ein bisschen Grün, sympathischen Nachbarn und dem Vorteil, dass wir Waschmaschine und Duschen auf dem benachbarten „Campingplatz Nordsee“ mitbenutzen können.
Hier könnt Ihr den Beitrag über Büsum hören:
https://srv.deutschlandradio.de/dlf-audiothek-audio-teilen.3265.de.html?mdm:audio_id=855971
Am 01. August geht es weiter an Husum vorbei zur Halbinsel Nordstrand. Vom Hafen Strucklahnungshörn aus fährt am nächsten Morgen die Fähre zur Hallig Hooge, von der der „Länderreport“ von Deutschlandfunk Kultur eine Reportage möchte. Nun könnte ich mich am Hafen auf einen großen Parkplatz stellen, aber das WoMoLand Nordstrand ist viel netter: Die Betreiber sind selber Camper, haben mit viel Herzblut ihren Platz gestaltet und sich viele Gedanken um Corona-Sicherheit gemacht (der Zugang zu den Duschen wird zum Beispiel mit Hilfe von Plastikbadeentchen organisiert). Es ist ziemlich voll, aber wieder einmal ist Autarkie von Vorteil: Weil ich keine Stromsäule brauche, kann ich auf der Wiese hinterm Haus stehen. Abends wird gegrillt, ich mache einen Spaziergang durch die spätsommerlichen Felder, Gänse ziehen, die Sonne versinkt, Schafe grasen auf dem Deich.
Tags drauf macht die „Adler Express“ ihrem Namen alle Ehre und rauscht in einer Stunde von Nordstrand zur Hallig Hooge. Wie an einer Kette aufgereiht liegen die Halligen vor der Küste, flach, schutzlos wirkend, mehrmals im Jahr von Sturmfluten überspült.
Was Menschen dazu treibt, hier leben zu wollen? Dieser Frage will ich nachgehen. Der Beitrag läuft am 27. August im „Länderreport“.
Hooges (ursprünglich aus München stammende) Bürgermeisterin und Bestsellerautorin Katja Just macht sich übrigens auch Sorgen wegen des Klimawandels: In 50 Jahren werden die ersten Halligen untergehen, fürchtet sie. Schon jetzt kommen die Sturmfluten immer früher. Auf der Rückfahrt glitzert die Abendsonne auf dem „Blanken Hans“, Halligbewohner in Wathosen fischen unmittelbar neben der Fahrrinne nach Krabben, Seehunde hoppeln über im Abendlicht silbrig schimmernde Sandbänke – magisch.
Nach einer zweiten Nacht auf der Wiese im netten WoMoLand mache ich einen Abstecher nach Husum. Dort bin ich mit Katharina Weinberg von der Schutzstation Wattenmeer zum Interview über Büsum verabredet (für die Familienlagune in Büsum wurden 80.000 Kubikmeter Sand aufgeschüttet). Husum ist keine „Graue Stadt am Meer“, wie Theodor Storm (1818-1888) meinte, sondern ein buntes Städtchen mit Kopfsteinpflastergassen und freundlich getünchten kleinen Häusern mit Stockrosen im Vorgarten. Allerdings so proppenvoll mit Touristen, die weder Abstand halten noch Masken tragen, dass ich ein paar Bratheringe verschlinge, im Supermarkt vorbei husche und dann schnell das Weite suche.
Nächstes Ziel: Heiligenhafen, also zurück an die Ostsee. Ab Kiel führt die Strecke über eine Landstraße an der Küste entlang: Schöner kann es an der Cote d’Azur auch nicht sein, ein Träumchen. In Heiligenhafen liegt der vollautomatisierte Stellplatz unmittelbar neben einem riesigen „Ferienpark“ aus den 70er Jahren, uhhh. Doch in den drei Tagen, die ich für den DLF in Heiligenhafen verbringe, lerne ich den Ort schätzen: Den spannenden Kontrast zwischen angestaubtem Kursaal und Bowlingbahn einerseits und dem hippen „Beachmotel“ an der futuristischen Seebrücke andererseits.
Den schneeweißen, menschenleeren Sandstrand an der Steilküste und den Binnensee, den Graswarder mit seinen 100 Jahre alten Villen. Von den superschönen Sonnenuntergängen ganz zu schweigen.
Rasend schnell vergeht ein heißer Spätsommertag nach dem anderen. Nach einem Auftrag in Sachen Rothirsche für „Umwelt & Verbraucher“ beim Landesjagdverband in Flintbek heißt es zurück nach Kiel, den Büroschlüssel wieder abgeben. Schön war es in Schleswig-Holstein: Morgens Nordsee, abends Ostsee, wo hat man das sonst?.
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