Es ist immer noch schön, aber früher, da war Portugal ein Paradies für uns Camper: Mehr als 1.000 Kilometer Küste; Traumstrände; an den schönsten Plätzen konnte man einfach bleiben; auf dem Strandparkplatz übernachten; dem Donnern der Wellen lauschen. Oder im Olivenhain durch die Dachluke die Sterne anschauen, bis die Augen zufielen. Nur der Wind säuselte in den Blättern und ab und zu rief ein Käuzchen.
Freiheit unter Pinien – auch in Portugal geht das noch, doch gewusst wo…
Zwar war das so genannte Freistehen, das wilde Campen in der Natur oder auf Strandparkplätzen, auch hier in Portugal immer schon offiziell verboten, doch es wurde lange Jahre geduldet.
Aber dann kam der Camping-Boom: Allein in Deutschland wurden in den vergangenen fünf Jahren aberwitzige 100.000 Wohnmobile neu zugelassen– pro Jahr wohlgemerkt! (Quelle: www.isaswomo.de)
Die Corona- Pandemie hat diesen Hype zusätzlich befeuert.
In Portugal wurde es zu viel: Weil die Masse an Campern überhandnahm, hat die Regierung 2021 eine Änderung der Straßenverkehrsordnung erlassen:
Übernachten im Wohnmobil ist seitdem offiziell nur noch auf ausgewiesenen Plätzen erlaubt. Später wurde diese neue Regel etwas entschärft. Man darf nun 48 Stunden auf solchen Plätzen bleiben, wo keine Verbotsschilder stehen, kein Naturschutzgebiet ist und die nicht in so genannten Zonen der Strandbewirtschaftung liegen. Solche sind aber vor allem an den Küsten kaum zu finden. Und wenn man einen ergattert hat, darf man kein Campingverhalten zeigen: Also weder Tisch noch (Liege)Stühle herausstellen – und wenn die Sonne noch so lacht.
Zu verdanken haben wir das nicht nur den Massen an Mobilisten, sondern auch der Tatsache, dass sich einige, aber in der Masse allzu viele, nicht benehmen können: Ihren Müll in die Gegend schmeißen; das Chemieklo ins Gebüsch kippen; in die Dünen kacken; Klopapier herumliegen lassen (wobei ein Klappspaten im Baumarkt 9,95 Euro kostet. Und eine Rolle Hundekackbeutel einen Euro oder so).
Sie knipsen Selfies am Lagerfeuer (Waldbrände sind Portugals Umweltproblem Nummer Eins) und machen sich auf den Parkplätzen breit, also hätten sie mit ihrem Wohnmobil auch ganz Portugal gekauft. Gerne wird auch das Grauwasser einfach so entsorgt: Hahn auf und laufen lassen. Dabei gibt es an fast jedem Intermarché-Supermarkt und an vielen Tankstellen eine Entsorgungs-Station. Rege ich mich auf? Ein bisschen… Denn diese Egoisten machen das Freistehen für alle kaputt. Und nicht nur in Portugal. In fast allen europäischen Ländern häufen sich die Verbotsschilder.
Ich finde es extrem schade, dass die große Freiheit, die das Leben im Wohnmobil so schön macht, in Portugal weitgehend vorbei ist. Aber – ich kann die Portugiesen verstehen. Ihr Zorn ging so weit, dass sich junge Männer mancherorts zu Bürgerwehren gegen die Camper zusammengeschlossen haben. Und die langmütigen, friedliebenden Portugiesen muss man wirklich mit Macht auf die Palme bringen, um sie so weit zu kriegen.
Ein gutes Beispiel ist der berühmt-berüchtigte Praia dos Tomates unweit von Albufeira: Früher ein Geheimtipp, aber jetzt steht der riesengroße Parkplatz am „Tomatenstrand“ in der App Park4Night. Die ist Segen und Fluch zugleich. Ich nutze sie auch dauernd, denn man findet hier dank der Einträge der campenden Community Freisteh-Plätze mitten im Wald, die Wiese beim Bauern, Campingplätze, Stellplätze, Plätze am Straßenrand, Wasserquellen, Tankstellen, die deutsche Gasflaschen auffüllen – einfach alles. Die App ist einerseits genial, aber: Mittlerweile stehen am Tomatenstrand bis zu 50, 60,70 Wohnmobile „frei“, also im Rudel. Und das teils wochenlang.
Massenandrang am „Tomatenstrand“ – mit Einsamkeit und Abenteuer hat das nicht mehr viel zu tun
Freistehen hieß früher einmal: Ich suche mir einen Platz, einst mit Landkarte, heute mit google Maps Satellitenfunktion. Und wenn dort schon ein Camper steht, ziehe ich weiter. Ich hinterlasse keinen Müll oder sonstigen Unrat, im Gegenteil: Wenn ich nach einer oder zwei Nächten wegfahre, sieht der Platz besser aus als vorher. Wenn ich kein Klo an Bord habe, schwinge ich den Klappspaten.
Gegen ein Wohnmobil, dessen Besatzung sich so verhält, hat niemand etwas. Aber 60? Darunter riesige weiße Schlachtschiffe, deren Kapitäne in den Zeiten vor P4N nicht in den Sinn gekommen wäre, sich irgendwo in die Pampa zu stellen?
Warum tun sie es jetzt? Weil es hip und cool ist, weil auf Insta das „Vanlife“ so beworben wird? Weil es alle machen? Weil die Stellplätze voll sind? Weil es vermeintlich nichts kostet? Wahrscheinlich ist es eine Mischung aus all diesen Motiven.
Die Folgen sind fatal: Der Ruf aller Camper leidet. Die Polizei hat den „Tomatenstrand“ erst vor kurzem wieder einmal geräumt. Nicht nur, dass manche Mobilisten mehr als 200 Euro Strafe bezahlen mussten, je nachdem, wie lange sie dort schon standen – wer hat denn Lust, im Urlaub Teil einer Polizeiaktion zu werden? Also ich nicht – und ich bin gar nicht im Urlaub.
Portugal gehört den Portugiesen und nicht uns. Ihr Land, ihre Regeln. Diese Mobilisten möchte ich mal sehen, wenn sich daheim in Bielefeld solch ein Riesenrudel portugiesischer Camper häuslich auf dem Parkplatz niederlassen würde – da wäre aber etwas los.
Mal ganz abgesehen davon, dass ich mich frage, wo in der Masse die Freiheit zu finden ist.
Zu dem Thema habe ich in der Reise-Sendung „Sonntagsspaziergang“ des DLF ein Livegespräch geführt: https://www.deutschlandfunk.de/zuviel-ist-zuviel-campingboom-in-portugal-dlf-e6f13205-100.html
Doreen und Sven (http://www.kasteninblau.de) gehen die Sache anders an: Sie stehen auch an der Algarve, in einem weitläufigen Pinienwäldchen am Meer, frei, seit Monaten. Aber auf einem Privatgrundstück, in Absprache mit dem portugiesischen Besitzer. Sie zahlen einen kleinen Obolus und schauen nach dem Grundstück. So haben alle etwas davon.
Stammlesern werden ihre Namen bekannt vorkommen: genau – das Hundefutterdrama um Weihnachten! Als mein Paket mit dem lebensnotwendigen Futternachschub verschollen war, haben Doreen und Sven mir sehr geholfen. Sie sind nämlich schon seit vielen Jahren in Portugal unterwegs, in Spanien und in Marokko. Zu zweit leben sie in einem blauen Kastenwagen, der auch nicht größer ist als „Libertu“: Respekt. Diese Beziehung muss wirklich stabil sein!
Beide waren früher in der Tourismusbranche. Wie ich lieben sie die Sonne und haben keine Lust mehr auf viel Stress. Sven ist heute Daytrader an der Börse, Doreen schreibt Kochbücher für den Hersteller des Omnia-Camping-Gasbackofens. Ich habe dessen Billig-Variante namens „Casanova“ aus Italien. Darum folge ich begeistert Doreens Blog kochen-und-backen-im-wohnmobil.de und lasse mich von ihren Rezepten inspirieren. Zu Beispiel Risotto aus dem Omnia, ohne ständiges Umrühren – eine Entdeckung!
Beim Besuch in „ihrem“ Wäldchen ist natürlich auch Freistehen in Portugal Thema – aber wir essen auch Doreens leckeren Käse-Kuchen (natürlich aus dem Omnia) und Sven gibt mir Flugunterricht mit meiner DJI-Foto/Video-Drohne.
Als ich weiterfahre und sie dableiben, verabreden wir uns: Auf ein Wiedersehen in einem der nächsten Winter in Marokko: Sobald die Grenzen wieder auf sind und die Fähren ab Gibraltar wieder fahren!
Du triffst ins Schwarze mit deinem Artikel: wir waren jetzt auch in Portugal und an den Küsten war es nur noch grausig.Die riesigen weissen Dickschiffe- teils mit Anhänger- stehen dicht gedrängt auf Parkplätzen.ist das die vielgepriesene Freiheit?Alternativen sind Projekte wie die alternativen Plätze „Nomadsland“ und “ Shamwari hilltop retreat“…natürlich im Inland.Und auch on Spanien gefällt uns das Inland inzwischen viel besser: viele tolle Stellen zum Alleinstehen….
Lieber Jörn, ja, wenn man/frau die ausgetretenen Pfade verlässt, finden sich noch schöne Eckchen. Versteht sich von selbst, dass wir die dann hegen und pflegen und nicht in Apps einstellen… Herzlichen Gruß und allzeit gute Fahrt, Vanja
Ich plane für nächstes Jahr mir ein Wohnmobil zu kaufen und damit bis nach Portugal zu fahren. Schade, dass man dort nicht mehr auf Strandparkplätzen übernachten darf. Ich wusste aber auch nicht, dass es lange Jahre dort geduldet wurde. Dann werde ich mich mal nach Stellplätzen in Portugal erkundigen.