Tiefe Schluchten und karstige Klippen: Auf der „Route Napoleon“ nach Norden

28. März 2022 | Frankreich, Geschichte und Kultur

Kaum biege ich von der azurblauen Cote D’Abzock ab ins Inland, habe ich mein geliebtes, gast- und camperfreundliches Frankreich wieder: Am Rand von Grasse stehe ich mit France Passion auf dem Parkplatz eines hübschen Ladens für regionale Köstlichkeiten. For free, respektive einen Einkauf. Eier, Käse und Reis brauchte ich sowieso.

Am nächsten Vormittag schraube ich mich auf engen Serpentinen durch das verwinkelte Parfumstädtchen, bis ich hoch oben am Ortsausgang auf den Einstieg zur „Route Napoleon“ stoße: Einer landschaftlich atemberaubenden Strecke durch die Ausläufer der Alpen nach Norden. Zwar stehen dort auch Verbotsschilder für Lastwagen und Wohnmobile, aber die ignoriere ich mal geflissentlich. Bin ja auch kein Lastwagen.

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Einstieg zur abenteuerlichen „Route Napoleon“

Die Straße heißt so, weil sie der Marschroute folgt, die Napoleon 1815 mit seinen Truppen nahm, als er aus der Verbannung auf Elba zurückkehrte, um in Paris erneut an die Macht zu gelangen. Angelandet in der Nähe von Antibes marschierten er und seine Getreuen über GrasseDigneSisteron und Gap bis nach Grenoble. Und zwar in einem Gewaltmarsch vom 1. bis 7. März 1815. Sie schafften 335 Kilometer in einer Woche, fast 50 Kilometer am Tag – Respekt. Die Route Nationale (RN) 85 wurde von 1927 an durch die Berge gebaut und „Route Napoleon“ genannt. Sie ist gut ausgebaut und toll zu fahren. Auf der Felsenseite nach Norden strebend machen mir die Abgründe auch nichts aus, im Gegenteil macht die Route wirklich Laune. Doch Obacht: Es gibt Abschnitte, die führen durch Tunnel, die für hohe Wohnmobile nicht geeignet sind. Da kann der Fahrspaß ganz plötzlich enden. Näheres steht im Internet.

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Oh wie schön ist Europa: Die Panoramastraße bietet herrliche Ausblicke – und es gibt auch überall kleine Parkplätze, um sie zu bewundern. Wenn man Lust hat, direkt neben der Straße zu stehen, könnte man dort vielleicht auch übernachten. Aber Achtung: Naturschutzgebiet und Freistehen verboten.

Nach einer ausgedehnten Mittagspause an einer kleinen Kirche mit einer kurzen, sonnigen Wanderung in der eindrucksvollen, karstigen Berglandschaft erreiche ich am Nachmittag Castellane im Departement Alpes-de-Haute-Provence. Eine dieser Zufallsentdeckungen, auf rund 700 Metern Höhe und 80 Kilometer nördlich von Cannes gelegen.

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Castellane am Verdon

Ein sehr hübsches Städtchen, mit handtuchschmalen Gassen. Im Sommer drängen sich hier Touristen, weil man in der Verdon-Schlucht wandern kann, klettern, Rafting machen und dergleichen mehr. Der Stellplatz liegt schön, direkt am türkisen Verdon, dem wichtigsten Nebenfluss der Durance.

Der Verdon hat in seiner 21 km langen Schlucht über Jahrmillionen den Grand Canyon Europas mit bis zu 700 m hohen Felsflanken geformt. Ich würde gerne so eine Kletter- und Schwimmtour machen, aber die starten erst im Juni. Im Moment ist das Wasser zu kalt und der Wasserstand zu niedrig.

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Das muss Spaß machen!

Statt dessen steige ich am nächsten Morgen zur winzigen Kirche Notre Dame du Roc aus dem 12. Jahrhundert hinauf, die sich an einen 184 Meter hohen Kalksteinfelsen über der Stadt klammert. Von dort oben genieße ich den tollen Ausblick auf Castellane, sehe Libertu unten auf dem Stellplatz am Fuße des Felsens stehen und erspähe außerdem, dass heute, am Samstag, Markt ist!

Weiter auf der „Route Napoleon“ nach Norden steht hinter Castellane alle 300 Meter ein Schild, das Schneeketten anmahnt und vor Glatteis warnt: Im Winter würde ich die Straße nicht fahren. Zumal sie nördlich von Castellane auch recht abenteuerlich am nackten Fels klebt. Am Straßenrand finden sich Denkmale für gefallene Kämpfer der Résistance.

In Sisteron wollte ich eigentlich nicht halten, aber beim Vorbeifahren sieht die Stadt so schön aus, mit ihrer Burg, hoch über der türkisblauen Durance, das Wetter ist schön mit fast 20 Grad und strahlendem Sonnenschein : Ich entscheide mich spontan um, biege ab, um die Stadt anschauen. Aber: Trotz gefühlt ewigen Herumkurvens finde ich weder den offiziellen Stellplatz noch sonst eine Übernachtungsmöglichkeit.

Nach einer Weile gebe ich entnervt auf und finde einen idyllischen Unterschlupf im Grünen, bei einem Apfelbauern ein paar Kilometer außerhalb. Er baut auch Lavendel und Oliven an und muss tüchtig bewässern.

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Gemäß des Deals von France Passion kaufe ich am nächsten Morgen leckeren Apfelsaft – und weiter geht es, nach Norden. Auf einsamen Straßen durch die Berge, bis ich am Nachmittag am Rand von Saint-Baudille-et-Pipet Halt mache: Ein winziger Weiler im Département Isère in der Region Auvergne-Rhône-Alpes  im Arrondissement Grenoble – alles klar?

Mit France Passion lande ich diesmal bei einer Familie von Hühnerzüchtern, kaufe auch brav Fleisch ein, aber irgendwie mag ich das nicht mehr. Obwohl schön mariniert, in Sojasoße und Olivenöl und mit frischem Ingwer. Fleisch ist nicht mehr so meins.

Internet gibt es kaum hier in den Bergen, ein Telefon-Signal schon gleich gar nicht, aber einen tollen Ausblick auf die Ende März immer noch verschneiten Gipfel. Am nächsten Morgen rauscht Libertu mit seinen 160 PS locker die kleinen Bergstraßen hoch, bergab fahre ich viel mit Motorbremse, braver Boxer! Im Vergleich zu Italien sind die steilen Sträßchen hier super ausgebaut und sogar zweispurig!

Hinter Grenoble enden die Serpentinen und auch die „Route Napoleon“. Der ehemalige Herrscher über fast ganz Europa war ab Grenoble nicht mehr aufzuhalten. Unter den Triumphrufen des Volkes, für das er bereits wieder als Kaiser galt, marschierte er weiter nach Paris. Am 20. März 1815 zog Napoleon wieder in den Tuilerienpalast ein. Es begann seine kurze Herrschaft der Hundert Tage. Sie endete nach der Schlacht von Waterloo am 22. Juni 1815 mit der Abdankung des Korsen. Napoleon Bonaparte wurde erneut ins Exil verbannt, diesmal auf die Insel St. Helena, wo er 1821 starb.

Weil ich am Ende des dritten Tages des Bergstraßenfahrens Grauwasser ablassen und Wäsche waschen muss, suche ich einen Campingplatz bei Bouvesse-Quirieu aus. Camping auf dem Bauernhof:

Ein netter, etwas ramponierter Hof, wir Camper sind nur zu zweit und es gibt bei Madame leckeren Ziegenkäse zu kaufen. Und eine richtige Dusche ist zur Abwechslung auch mal wieder nett. Grauwasser ablassen kann man doch nicht, eine Waschmaschine gibt es auch nicht, aber egal. Es war eine ganz schön lange Strecke heute, nach Grenoble durch gefühlt hunderte Kreisverkehre – Feierabend.

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2 Kommentare
  1. Frankreich, für uns ein Land, das noch entdeckt werden will! Dank deinen schönen Berichten rutscht es weit nach oben auf der Liste, der unbedingt noch zu erfahrenden Länder…vielleicht schon dieses Jahr?!

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    • Liebe Birgit, ob dieses oder ein anderes Jahr: Frankreich ist definitiv ein tolles Land zum campen. Und an vielen Ecken wunderschön. Und immer mehr Franzosen gehen nicht mehr davon aus, dass alle Welt ihre Sprache gut spricht, viele können selber mittlerweile Englisch. Und das Essen….Mjamm!

      Antworten
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