Panoramastraßen, azurblaues Meer und ein Wald von Verbotsschildern: Die Côte d’Azur will keine Camper

24. März 2022 | Frankreich, "Vanlife" - Licht und Schatten

Hitchcocks „Über den Dächern von Nizza“ und das Filmfestival von Cannes mit Stars und Sternchen auf dem palmengesäumten Strandboulevard de la Croisette: Meine Vorstellungen von der französischen Riviera sind glamourös. Dabei bin ich gewarnt: „Nimm einen Sack voll Geld mit“, hatte Vincent geraten, Camper aus Frankreich, den ich auf einem Stellplatz in Fuseta, Portugal, kennen gelernt hatte. Und er hatte auch gemeint: „Sie mögen an der Côte keine Wohnmobilisten, die wollen uns dort nicht.“ Er sollte Recht behalten.

Ich verzichte auf die Camargue, weil ich eine Flussdelta-Landschaft aus Wasser und Schilf schon in Italien am Po erforscht habe und langsam auch mal in Deutschland und bei meinem neuen Wohnmobil ankommen will. Und ich mache einen großen Bogen um Marseille, das sicher spannend wäre, aber für seine vielen Wohnmobileinbrüche berüchtigt ist.

Ich erreiche die berühmte azurblaue Küste am 17. März bei Cassis. Dort am Busbahnhof kann man angeblich frei stehen, aber auch das ist mir nicht geheuer. Ich fahre weiter gen La Ciotat. Die Hafen- und Industriestadt liegt etwa 30 Kilometer östlich von Marseille. Die Serpentinen-Scenic-Route zwischen Cassis und La Ciotat versuche ich zwar, aber die Zufahrt ist schon so steil und eng, dass mir bang wird.

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Zudem ist es Freitag, Spätnachmittag, mich überholen mit quietschenden Reifen junge Männer, die sich Papis Boliden ausgeliehen haben, um auf der Küstenstraße entlang der Steilklippen in rasender Fahrt Mutproben zu veranstalten. Oh Grusel, oh Graus: Ich wende, als ich es noch kann, kehre um und tuckere reumütig auf der gut ausgebauten Umgehungsstraße weiter. Ich werfe notgedrungen Anker auf dem einzigen bereits offenen Campingplatz weit und breit. Teuer, aber die nächtlichen Lichter von La Ciotat sind schön.

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Weiter geht es immer parallel zur Küste. In Bandol und Sanary-sur-Mer sehe ich keinen Parkplatz, der auch nur ansatzweise für Libertu passend wäre, erst in Six-Four-les-Plages werde ich fündig: Mittagspause!

Kein Wunder, dass es Emigranten wie Thomas Mann und Bertolt Brecht nach dem verhängnisvollen Januar 1933 hierhin gezogen hat: Die Küste, die hier noch zur Provence gehört, ist gar lieblich. Heutzutage aber auch gnadenlos mit Hotels und Ferienhaus-Anlagen gepflastert: Die Riviera ist Frankreichs Ferienregion Nummer eins. Dazu kommen die vielen ausländischen Ruheständler, vor allem aus Großbritannien, die hier unter Palmen das milde Klima genießen. Respektive vor dem Brexit genossen haben.

Einen Platz für die Nacht zu finden, gestaltet sich noch schwieriger: Überall Camper-Verbotsschilder oder die Parkplätze sind mit Schranken generell geschlossen. An Toulon vorbei fahre ich darum einige Kilometer ins Landesinnere, wo ich im Dorf La Crau bei Spirulina-Farmer David Laroux Obdach finde.

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David, von Haus aus Ingenieur, zeigt mit stolz seinen kleinen Betrieb und lobt in den höchsten Tönen die wundersamen Eigenschaften der Spirulina: Oft als Blaualge bezeichnet, ist sie aber tatsächlich ein Bakterium. Ein Superfood, das habe auch die Weltgesundheitsorganisation bestätigt, schwärmt David: Eiweiß, Eisen, eine ganze Fülle von Nährstoffen und Mineralien enthalte die Spirulina, aber keine Kalorien. Ihre Antioxidantien verlangsamten den Alterungsprozess der Haut, ihr Chlorophyll reinige das Blut. Ich bin nur halb überzeugt, erstehe aber als Gegenleistung für die kostenlose Übernachtung eine Tüte der trockenen, grünen Krümel.

Womöglich beschwingt von den ersten Auswirkungen der begonnenen Spirulina-Kur kehre ich am nächsten Morgen zur Küste zurück. Ich folge ihr, bis es bei La Croix-Valmer auf ein abenteuerliches Sträßchen durch die Berge geht. Mitten hinein in ein Fahrrad-Rennen. Es ist Wochenende und das ohnehin nudeldünne Bergsträßchen ist am Rand mit den Autos der Schaulustigen zugeparkt.

Mein Weg führt durch das – übrigens entzückende – Dorf Ramatuelle, wo aber die Durchgangsstraße wegen des Rennens gesperrt ist. Der Verkehr wird durch Seitengassen geleitet – der Van hätte keinen Zentimeter länger und breiter sein dürfen. Die Tour hat sich aber gelohnt: Am Strand von Bonne Terrasse, einige Kilometer südlich von Saint Tropez, findet sich einer der wenigen Stellplätze am Meer. Noch dazu bezahlbar: Zehn Euro inklusive Wasser und Toiletten. Nebenan ist eine nette kleine Strandbar sogar geöffnet.

Mit Saint Tropez und mir jedoch wird es nichts: Das illustre und überraschend winzige Städtchen ist ja wirklich hübsch, aber mit dem Camper kann frau nur durchrollen: Parken am Straßenrand ist allenthalben verboten und die Gebühren des großen Parkplatzes am Hafen sind aberwitzig. Hier tummeln sich im Sommer die Reichen und Schönen auf ihren Yachten und lassen Unsummen in Restaurants und Boutiquen. Und dabei soll es ganz offensichtlich auch bleiben. Nur zahlungskräftige Gäste sind hier erwünscht. Dann eben nicht: Adieu

In mir wächst ein Groll. Doch die Küstenstraße Richtung Cannes ist zugegebenermaßen sehr schön. Das Wasser funkelt auch tatsächlich azurblau in der endlich scheinenden Sonne, doch doch, trés jolie. Bei Ste-Maxime halte ich kurz, Parkplätze am Straßenrand gäbe es einige, aber ausnahmslos alle sind entweder mit Wohnmobil-Verbotsschildern oder Höhenbeschränkungen ausgestattet – es nervt.

Einige Buchten weiter haben sie es dann geschafft: Ich checke auf dem Campingplatz Au Paradis ein. Der ist wirklich ganz nett, schön grün. 18 Euro ohne Strom sind zwar happig in der Nebensaison, aber was soll man machen? Ein kleiner Strand ist vor der Haustür, und man kann in den Hügeln schön mit dem Hund spazieren gehen. Außerdem lerne ich hier Martina und Hanny aus Norddeutschland kennen: Wir haben einen tollen Klön-Abend in ihrem Van, bei dem ich ihre sämtlichen Knabberzeugs-Vorräte fast im Alleingang vernichte.

Zwei Tage später heißt es Abschied nehmen: Ich folge der herrlichen Küstenstraße D 559, der Corniche d’ Or, durch Fréjus und Saint Raphael bis vor die Tore von Cannes.

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Blaues Mittelmeer, ockerrote Klippen, grüne Pinien: Das Farbenspiel ist gar prächtig. Es gibt entlang dieser berühmten Panoramastraße an der Steilküste auch zwei oder drei Parkplätze, auf denen man anhalten kann. Vielleicht auch übernachten, Verbotsschilder gibt es nicht. Aber da überall hier an der Küste Wohnmobile unwillkommen sind, nehme ich mal an, es könnte teuer werden – und probiere es lieber nicht aus.

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Auf der Corniche d‘ Or nach Cannes

Stattdessen lande ich ein paar Kilometer vor Cannes auf dem Campingplatz Les Cigales (Zikaden), der mir sage und schreibe 26 Euro abknöpft. Egal, es ist herrliches Wetter, strahlend blauer Himmel, fast 20 Grad.

Am Strand der weiten Bucht von Cannes ergibt sich ein nettes Gespräch mit einem Franzosen, der fließend Deutsch spricht und jede Menge gute Tipps für die Stadt parat hat. Doch leider kann ich keinen davon umsetzen.

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Cannes riesige Parkplätze sind um diese Jahreszeit zwar fast leer, aber Wohnmobile sind überall verboten, nicht mal tagsüber ein paar Stunden parken darf man.

Also begnüge ich mich damit, die Croisette einmal hinauf und wieder hinunter zu tuckern. Was ich aus den Augenwinkeln so sehe, sieht sehr schön aus. Eigentlich wollte ich in die Markthalle und ausnahmsweise mal in einem Bistro zu Mittag essen, aber dann eben nicht. Adieu!

In den vergangenen zwei Jahren habe ich nicht ansatzweise solch einen Wald von Verbotsschildern und Höhen-Begrenzungen gesehen, wie in diesen paar Tagen an der Côte. Auch die vielen hochkarätigen Museen konnte ich nicht besuchen, weil es weit und breit keine passenden Parkplätze gibt. Ich habe die Nase voll, schenke mir Antibes, Cap Ferrat, Nizza und Monaco – und biege ab ins Inland, Richtung Grasse. Auch wenn ich so die Grande Corniche verpasse: Die spektakuläre Küstenstraße zwischen Nizza und der italienischen Grenze, auf der Grace Kelly am Steuer ihres Cabriolets mit rasanter Fahrweise Gary Grant das Fürchten lehrt.

2 Kommentare
  1. Du sprichst uns aus der Seele. Nach 6000 km in 7 Wochen durch Nordspanien und Portugal und Südspanien sind wir seit 5 Tagen auf der D559 und inzwischen SS1 unterwegs. Erfreuen uns der wunderschönen Aussicht, der netten Bergdörfer ( von unten natürlich) und regen uns über die vielen Verbotsschilder mächtig auf. Wir haben es gewagt und sind über St. Tropez (der stellplatz kostet inzwischen 17,40€ – für eigentlich nix) Cannes, Antibes, Nizza, Monaco, Menton, San Remo, Alassio, inzwischen in Albenga gelandet. In San Remo wollte ich mich scheiden lassen, weil man Mann die tausenden Rollerfahrer aufs übelste beschimpft hat. Wir haben die Städte also nur als rollendes Monstrum mit 4,2 t und 8,2 m Länge erlebt. Aber die Küstenstraße hat uns wieder belohnt. Beste Womogrüße von der Manu und dem Hossi

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    • Lasst Euch nicht verdrießen – der Rest von Frankreich ist ein Camper-Paradies. V.a. mit France Passion, aber auch ohne. Herzliche Grüße, Vanja

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