Am nächsten Morgen scheint wieder die Sonne. Am Nachmittag bin ich mit Valentina Gadotti verabredet: Zusammen mit ihrem Freund und zwei Partnerinnen betreibt sie einen Ziegenhof und eine Käserei ganz in der Nähe von Greve.
Durch eine dieser Zypressenalleen, für die die Toskana berühmt ist, geht es hügelan und dann durch die Weiden und Felder zu der kleinen Kooperative. 100 rotbraune Ziegen mit dunklem Rückenstrich, genannt „die Mädels“, geben Milch für etwa 20 Kilo Käse am Tag. Nicht viel, aber Valentina und ihren MitstreiterInnen reicht es zum Leben.
Ein ganz anderes Leben als ihr Früheres, erzählt Valentina: Sie ist in Trento aufgewachsen, einer vergleichsweise wohlhabenden Stadt im Norden Italiens, an der Grenze zur Schweiz. Sie reiste viel, studierte in Mailand und Bologna Politikwissenschaften, lebte drei Jahre in Istanbul. Gleich nach ihrem Abschluss fand sie einen gutbezahlten Job in Trento, arbeitete als „kulturelle Mediatorin“ mit Flüchtlingen, hatte ein Auto, viele Freunde und eine schöne Wohnung. Ihr Weg schien vorgezeichnet, doch die Flüchtlingsarbeit sei zunehmend zum Spielball der Politik geworden, erzählt sie.
Valentina wollte außerdem unabhängig sein, sich selbst versorgen können. Als sie um die 30 war, zog sie darum aufs Land. Vor vier Jahren wurden Valentina und ihr Freund Nicolo dann Partner in diesem Ziegenbetrieb, der damals schon ein EU-Biosiegel hatte. Die Ziegen weiden draußen, das Alfalfa-Heu für den Winter bauen sie selbst an.
Zu viert rackern sie nun von früh bis spät. Sie verkaufen den Käse auf Märkten in Pisa und Florenz. Weil die Qualität von Lebensmitteln in Italien einen hohen Stellenwert habe, seien die Kunden bereit, für den handgemachten Bio-Käse angemessene Preise zu bezahlen. Sie beliefern Restaurants und Supermärkte in der Umgebung und kommen so einigermaßen über die Runden, können die Rechnungen bezahlen und die Pacht für 30 Hektar Land und drei Häuser aufbringen.
Das neue Leben als Bäuerin, Ziegenhirtin und Käsemacherin sei super hart, erzählt Valentina offen: Sie hatte keine Ahnung vom Landleben, wusste nichts über Ziegen, die Arbeit mit Rohmilch oder die bürokratischen Hürden, die ein landwirtschaftlicher Betrieb nehmen muss. Sie musste plötzlich den Ziegen bei der Geburt helfen, und wenn eine starb, verbrachte sie den Abend weinend und viel Wein trinkend. Denn alle ihre „Mädels“ haben einen Namen.
Sie können sich kein Gehalt auszahlen, keinen Urlaub machen, müssen alle Entscheidungen einvernehmlich treffen, haben viel zu wenig Freizeit und sind abends hundemüde, doch das Leben mit den Tieren und in der Natur sei auch zutiefst erfüllend und unglaublich lehrreich, sagt Valentina. Mittlerweile ist sie 35, will vielleicht demnächst Kinder haben, also müsse der Hof besser organisiert werden und effizienter arbeiten.
Heute schon können Kunden die Patenschaft für eine Ziege übernehmen und dafür Käse bekommen, es gibt einen kleinen Hofladen und die Kooperative bietet Besichtigungen nebst Verkostungen an, was von Corona natürlich ausgebremst wurde. Vielleicht würden sie demnächst auch Agrotourismus anbieten, sinniert Valentina. Zukunftsmusik.
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