Durchs spanische Hinterland nach Frankreich

5. März 2022 | Spanien

Nach dem Ende der gemeinsamen Recherchen zum maurischen Erbe in Andalusien nehmen Kollegin Brigitte und ich Abschied: Sie steuert in Valencia die Fähre nach Mallorca an, wo sie seit Jahrzehnten lebt, ich fahre weiter nach Norden, nach Andorra und Frankreich.

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Frühling schon im Februar: Südspanien

Von den Überwinterern an Andalusiens Mittelmeerküste hört man in diesem Frühjahr Schlimmes: Die spanische Polizei räumt Stellplätze und Parkplätze, auf denen sich hunderte von Wohnmobilisten versammelt haben. Allein rund 40.000 Camper aus Frankreich sollen rund um Málaga überwintert haben, die normalerweise nach Marokko gefahren wären. Doch die Fährverbindungen zwischen Algeciras und Tanger sind wegen eines politischen Streits der beiden Länder eingestellt. Drum der große Andrang in Südspanien und auch im Süden Portugals.

Barcelona hätte ich zwar gerne gesehen, aber auf zugebaute Küste und Großstadt-Moloch habe ich so gar keine Lust. Also fahre ich durch das Hinterland, parallel zur Küste. Und je weiter ich mich von Málaga entferne, desto weniger anderen Wohnmobilen begegne ich.

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Gedränge an den Küsten, aber abseits der ausgetretenen Pfade ist nichts los….

Von Granada aus geht es in die schöne Renaissance-Stadt Baeza, UNESCO-Weltkulturerbe wegen der vielen wunderbar erhaltenen Renaissancebauten und Paläste. Die haben sich Adelsfamilien nach der Eroberung des Landes von den Mauren, der so genannten Reconquista, gebaut. Sie waren mit Landwirtschaft und Viehzucht reich geworden.

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Baeza liegt im Oliven-Anbaugebiet Nr.1 in Spanien und damit weltweit

Aber was ist denn hier los? Alle Parkplätze sind rappelvoll. Am Weltkulturerbe kann das nicht liegen, wohl eher an den großen Olivenölfabriken ringsum. Dankenswerterweise hat die Stadtverwaltung einen kostenfreien Stellplatz neben dem Busbahnhof eingerichtet. Muchas gracias! Dank der Lage am Stadtrand kann man dort schön mit dem Hund spazieren gehen und einen Blick auf das ländliche Umland werfen. Das ist geprägt vom Olivenanbau: In jeder Himmelsrichtung wachsen die Ölbäume bis an den Horizont.

Einen Hügel weiter lockt schon das nächste Ziel: Úbeda. Dort bin ich mit Ariane und Peter verabredet, die ich im vergangenen Frühjahr auf dem Gargano in Süd-Italien kennen gelernt habe: Klein ist die Traveller-Welt.

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UNESCO-Weltkulturerbe: Die Altstadt von Úbeda

Auch in Úbeda sind es am 22. Februar schon sonnige 20 Grad, auch hier ist der Stellplatz gratis und liegt am Rand des Städtchens, gleich neben der Polizei-Akademie. Man muss nicht weit laufen, um im nächsten Olivenhain zu stehen: Úbeda ist die Kreisstadt der Provinz Jaen: Des größten Olivenanbaugebietes der Welt. Wenn die in Süditalien wütende Pflanzenkrankheit Xylella auch hier zuschlägt, dann gute Nacht!

So wie Baeza ist auch Úbeda wegen der vielen prächtigen, gut erhaltenen Paläste UNESCO- Weltkulturerbe. Beiden Städten gemeinsam ist auch der schöne Geruch nach Holzfeuern. Viele der Bewohner scheinen einen Kamin ihr Eigen zu nennen. Jetzt im Februar sind die Nächte noch kalt, da heizen sie offensichtlich morgens und abends. Klimaschädlich, ich weiß, trotzdem liebe ich diesen Geruch.

Auch die Neustadt ist hübsch, mit vielen netten Geschäften und einer Stierkampf-Arena. Denn immerhin sind wir immer noch in Andalusien, wenn auch im nordöstlichen, an der Grenze zu Kastilien.

Durch die Täler und Ebenen der Sierra geht es weiter gen Norden. Die Oliven-Monokultur hat ein Ende, man sieht auch wieder Felder und Wiesen und andere Bäume, wie zum Beispiel die Steineiche.

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Was eine schöne Fahrt im Sonnenschein hätte sein können, wird aber zur bedrückenden Trauerreise: Es ist der 24. Februar. Ungläubig lausche ich im Deutschlandfunk einer Sondersendung zum russischen Überfall auf die Ukraine. Unfassbar: Ein brutaler Angriffskrieg mitten in Europa, vom Fahrrad geschossene Zivilisten tot auf der Straße, direkt vor unserer Haustür.

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In Alcaraz wäre ich gerne an diesem hübschen Kloster geblieben, aber in der Nacht soll es regnen und der Weg ist einer, der dann seifig und glitschig wird. Das Internet ist auch zu schwach. Also fahre ich nach einer Runde mit dem Hund weiter.

In Lezuza finde sich schon wieder einen kostenlosen Stellplatz, danke Spanien! Dieser liegt am Rande des Fußballfeldes eines Dörfchens im Nirgendwo. Außer mir ist weit und breit niemand zu sehen. Die jungen Leute, die hier Fußball spielen könnten, sind wohl in die Städte abgewandert. Während sich an den Küsten alle quetschen, hat man hier viel Platz und Ruhe, nur das Kirchlein gibt alle halbe Stunde laut. Und das Internet in dieser dörflichen Abgeschiedenheit ist blitzschnell!

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Allein auf weiter Flur in Lezuza

Weiter geht es nach Kastilien-La Mancha, wo Don Quijote gegen die Riesen kämpfte.  Bei Cuenca finde ich mit Hilfe von Google Maps einen Platz zum Freistehen, gleich oberhalb einer Schlucht, mitten im Wald in einem Klettergebiet. Die Temperatur ist hier oben auf nur noch acht Grad gesunken, Andalusiens Sonnenschein und seine Orangenbäume sind schon weit weg. Doch der Fluss ist intensiv blau-grün und rund um die Schlucht schlängeln sich viele Wanderwege.

Am Spätnachmittag stellt sich ein weißer Kastenwagen neben mich: Ein netter Kletterer aus Brasilien. Er empfiehlt mir die Berge von Valencia, dort sei es eben so schön aber wärmer. Mal schauen. Eigentlich will ich ja auf mehr oder weniger direktem Weg nach Andorra.

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Cuenca mit seinen 55.000 Einwohnern ist Standort der Universität Kastilien-La Mancha, aber bekannt für seine Altstadt (UNESCO-Weltkulturerbe, wieder einmal) und dort vor allem für seine „Hängende Häuser“: Die Altstadt liegt spektakulär auf einem Felsplateau und an deren Rand stehen die berühmten „casas colgadas“, also die paar, die noch erhalten sind.

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Wäre nichts für mich, so ein Haus am Abgrund…..

Eines der „Hängenden Häuser“ beherbergt seit 1966 das Museum für abstrakte spanische Kunst (Museo de Arte Abstracto Español): Eine tolle Sammlung! Die ständige Ausstellung zeigt hunderte von Gemälden und Skulpturen wichtiger Vertreter der abstrakten spanischen Kunst aus den 50er und 60er Jahren – lohnt sich!

Man kann in Cuenca am Rande der Altstadt auch auf einem Parkplatz übernachten, aber mir ist hier zu viel Trubel, ich fahre weiter.  Auf schmalen Straßen durch die Bergwelt der Sierra. Bis zum Stausee La Toba bei Una.

Hier stehe ich zunächst auch allein an einem Staudamm, neben einer kleinen, jetzt noch verlassenen Ferienhaussiedlung. Ein Telefon-Signal gibt es zumindest für Vodafone-Kundinnen nicht, aber das Internet ist überraschend stark. Eigentlich wollte ich nur mit dem Hund spazieren gehen und dann weiter. Aber weil es hier so hübsch ist und der Tag ja auch schon etwas fortgeschritten, bleiben wir. Am Abend kommt noch ein Kastenwagen mit einem scheuen Briten drin, der am nächsten Morgen (sechs Grad, brrrr!) nur kurz grüßt, bevor er weiterfährt.

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Calomarde, nennt sich selbst das Herz der Sierra, ich bin am nächsten Tag nur durchgefahren, aber sah hübsch aus.

Die Strecke nach Albarracín am kommenden Tag ist wunderschön, kaum Verkehr, man kann in Ruhe schauen. Albarracín ist Mitglied bei „Los pueblos mas bonitos de Espagna“. Aus Gründen: Ein zauberhaftes Städtchen. Drum herum erstreckt sich ein felsiges Kletterparadies. Darum stehen hier überall kleine, alte Bullis herum: Die fahrbaren Untersätze der meist jungen Kletterer.

Während ich im Sonnenschein unter einem blauen Himmel auf der alten Stadtmauer herumkraxele, versetzt Putin Russlands Atomwaffen in den Alarmzustand. Meinem mobilen Lebenswandel, auf Reisen durch Europa, könnte der kleine Mann im Kreml ganz schnell ein Ende setzen, wenn er auf den Knopf drückt. Ein übles Gefühl unmittelbarer Bedrohung. Wer hätte das gedacht, fast 80 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges, 33 Jahre nach dem Fall der Mauer.

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Teruel: Berühmt für seine maurischen Wehrtürme

In Teruel gewannen die Faschisten unter Diktator Franco trotz der Hilfe der Internationalen Brigaden den spanischen Bürgerkrieg. Die auch mit Hilfe der NS-deutschen Luftwaffe fast komplett zerstörte Stadt wurde wieder aufgebaut. Heute ist sie wegen ihrer Mudejar-Wehrtürme UNESCO-Weltkulturerbe. Langsam verliere ich den Überblick darüber, wie viele Erbe-Stätten ich schon besucht habe.

Eine auch darüber hinaus sehr schöne Altstadt lockt mit prachtvollen Bürgerhäusern an der Haupt-Plaza und einem schönen Stierbrunnen. Die Leute sitzen entspannt und freundlich bei einem Café in der Sonne, dank der Uni sprechen viele gut Englisch.

In Teruel leben viele Studenten, da hier die Prüfungen leichter sein sollen als in Valencia und Zaragossa, so erzählt es mir eine Angestellte in der Touri-Info mit einem Augenzwinkern. Und die Miete sei hier in der Provinz erschwinglicher.

Auf einem Flughafengelände vor der Stadt stehen hunderte Flugzeuge, um dort gewartet oder repariert zu werden. Ein gigantischer Flieger-Parkplatz, ein ziemlich spektakulärer Anblick, wenn man auf Teruel zufährt. Hier üben auch Piloten aus aller Welt Starts und Landungen. Der Flughafen ist einer der wichtigsten Arbeitgeber in dieser strukturschwachen Region in der Sierra.

Zwei Stunden Fahrt nach Osten durch steiniges, karstiges, hügeliges Land. Kleine Dörfer ducken sich mit ihren lehmfarbenen Häusern mit Terrakottaziegel-Dächern wie Chamäleons in die beige Landschaft. Nur selten sehe ich einen Mandelhain oder ein paar Olivenbäume.

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Kurze Pause in der Nähe der ehemaligen Minenstadt Escucha, die heute völlig ausgestorben wirkt. Die ganze Landschaft scheint sehr trocken, so als habe es seit Jahren nicht geregnet.

Am 1. März erreiche ich Alcañiz und das Thermometer klettert wieder auf 20 Grad. Das Städtchen sieht auf den ersten Blick hübsch aus, ich mache hier aber nur Halt, weil es genau auf der Hälfte der Strecke noch Lleida liegt. Genialer Weise gibt es direkt neben dem Stellplatz (gratis, danke Spanien!) am Ortsrand einen modernen Waschsalon, super!

Zwischen den mit Amaranth (laut Pflanzenbestimmungs-App) bestellten Feldern kann man schön im Abendlicht mit dem Hund eine Runde drehen, mit Blick auf Kirche und historisches Zentrum. Am nächsten Vormittag erweist sich die Altstadt allerdings als arg renovierungsbedürftig. Leerstand allenthalben: Die jungen Leute scheint es aus dieser verschlafenen Ecke Spaniens nach Madrid zu ziehen. Wer will es ihnen verdenken, ich wollte früher auch immer unbedingt nach Berlin. Wahrscheinlich gibt es hier auch kaum Jobs.

Weiter geht die Fahrt zwei Stunden lang durch diesmal abwechslungsreichere Landschaft: Noch etwas hügeliger und vor allem grüner, mehr Bäume und Felder, wahrscheinlich, weil es mehr Wasser gibt.

Hinter dem aufgestauten Fluss durchquere ich dann ein regelrechtes Zentrum des Obstanbaus: Blühende Haine erstrecken sich in akkuraten Reihen bis zum Horizont. Berge von Obstkisten sind am Straßenrand aufgestapelt, Obst-Firmen haben große Hallen gebaut.

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Ich fahre ein Stück auf der Autobahn Richtung Barcelona. Viele Lastwagen sind hier unterwegs. Montpellier taucht auf den Schildern auf: Die französische Grenze ist nicht mehr weit.

Bei Arbeca werfe ich Anker auf einem Weingut. http://www.vinyaelsvilars.cat.

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Der Empfang ist warmherzig, die Dusche leider kalt. Doch Camperinnen wissen sich zu helfen: Ich nehme meine faltbare Schüssel mit heißem Wasser mit und mische mir eine schöne warme Becher-Dusche – ha! Am Spätnachmittag Weinverkostung, die Flasche leere ich dann mit meinem Nachbarn, einem jungen Street-Fotografen aus den Niederlanden.

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Er fotografiert konsequent in Schwarz-Weiß und mit einem Tele Menschen, die sich unbeobachtet fühlen. Er ist sehr begabt, hat ein unglaublich gutes Auge für Situationen, aber für mich wäre das nichts, weil die heimlich Fotografierten ja nicht ihr Einverständnis geben können. Er winkt ab: Milliarden Handy- und Überwachungsbilder würden jeden Tag gemacht, Einverständnis sei nicht mehr nötig.

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Mangelnder Regen ist Winzerin Maria Joses größtes Problem – auch hier im Norden Spaniens, unweit der französischen Grenze

Am nächsten Morgen führe ich ein Interview mit der netten Chefin des Weingutes, Maria Jose (48): Ihr größtes Problem ist der Klimawandel, sagt sie. Nicht mehr genug Regen im Winter, sie macht sich Sorgen.

Weil es in den nächsten Tagen in den Hochpyrenäen kräftig schneien soll, gebe ich meinen Plan, Andorra zu besuchen, auf. Meine Allwetterreifen tragen zwar die Schneeflocke, aber das ist mir dann doch zu abenteuerlich. Und nachts minus sechs Grad brauche ich auch nicht zu meinem Glück.

In Frankreich ist das Wetter besser. Ich fahre die C 25: Mautfrei, aber zweispurig sehr gut ausgebaut. Das ist eine prima Alternative zur Küstenautobahn, wo rund um Barcelona diverse Unholde ihr Unwesen treiben sollen, Wohnmobile mit Tricks zum Halten bringen und dann ausrauben. No gracias.

100 Kilometer vor Girona beginnen die Ausläufer der Pyrenäen, mit Kurven, Weiblicken über bewaldete Täler, mit Tunneln und Viadukten – das reicht mir an Bergabenteuer.

Nahe der französischen Grenze bietet ein Erlebnis-Bauernhof clever Stellplätze an. Die Rechnung geht auf: Bestimmt an die 20 Überwinterer auf dem Heimweg nach Skandinavien, Deutschland oder Frankreich haben sich hier versammelt. Alle kaufen brav im gut sortierten Hofladen ein, ich auch. Es ist Anfang März, der letzte Abend in Spanien: Morgen geht es nach Frankreich. Adios Espagna! Eine schöne und interessante Tour durchs Hinterland war es. Aber Spanien hat mein Herz nicht so berührt wie Portugal.

2 Kommentare
  1. Liebe Vanja, ich lese Deinen Blog bei strömendem, wenn auch herbeigesehntem, Regen am Saale-Ufer im gefühlten Nirgendwo. Dein Libertu hat uns hierher gebracht – unser HerrBert bietet Schutz und Raum für‘s Unterwegsbleiben! Danke, für Deine detailierten Reiseberichte und die schönen Bilder. Nach der #ErFahrungDeutschland geht’s weiter…🚐, auch, weil Deine Berichte inspirierend sind💚
    Es grüßt ganz herzlich die Remstalnomadin
    @remstalnomaden

    Antworten
    • Danke liebe Birgit. ich finde es schön, dass mein ehemaliger Libertu als euch als euer HerrBert Freude macht! Liebe Grüße aus dem nieselig-nebligen Zarrentin am Schaalsee, Vanja

      Antworten
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