Adria chiusa: Von Cervia nach Rimini

3. Oktober 2020 | Italien

Wo sich im Sommer hunderttausende Sonnenhungrige an den Stränden drängen, ist es jetzt, Anfang Oktober, komplett leer. Von Venedig bis Rimini reiht sich ein Hotel ans andere und fast alle sind zu. Die Hoteliers sprechen sich ab, erzählt mir eine Frau später in Rimini, der ein oder andere bleibt geöffnet, für die wenigen Winter-Gäste.

Aus dem mückenumschwirrten Po-Delta wieder aufgetaucht, verschlägt es mich zufällig nach Cervia. Ich habe von diesem traditionsreichen Bade-Ort noch nie etwas gehört, aber es gefällt mir hier ganz gut: Die Strandpromenade ist schön und mehrere Kilometer lang, es gibt schicke Boutiquen, moderne Bars und Restaurants und man kann sich gut vorstellen, dass hier im Sommer das Leben tobt. Doch jetzt herrscht Lost-Place-Atmosphäre: Die Bagni geschlossen, die Sonnenschirme abgebaut, nur eine Handvoll Menschen am endlosen Sandstrand.

Diese End-of-Season-Stimmung hat etwas leicht Melancholisches, und ich frage mich, wie diese tausenden Hotels überleben, die alle das gleiche anbieten: Sonne, Strand und abends Highlife. Aber es scheint ja zu funktionieren.

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In der Saison wird hiermit gefischt: Frischer Fisch gleich auf den Tisch
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Freistehen ist hier kein Problem: Es gibt einen großen Parkplatz am Ortsrand, am Kanal zwischen Cervia und Milano Marittima. Er gehört zu einer Art Kongresshalle, aber Wohnmobile sind hier auch willkommen, zumindest in der Nebensaison. Er ist mir aber zu nah an der Durchgangsstraße und zu weit ab vom Schuss, respektive vom Meer. Darum fahre ich nochmal los, biege rechts ab, an einem großen Verkehrskreisel und lande auf dem Parcheggio Piazzale Forli, zu Füßen eines Hochhauses, direkt am Strand. In der hinteren Ecke steht schon ein großes weißes Wohnmobil, dahin verkrümele ich mich auch. Hier ist gut sein: Es ist ruhig, unter der Woche kostenlos, und zum breiten, weichen Sandstrand sind es nur ein paar Schritte.

Eine kleine Strandbar an der Marina hat noch auf, es gibt Cappuccino für 1,50,-, Eis am Stiel, Chips und Drinks.

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Morgens wird der angeschwemmte Plastikmüll am Ufersaum aufgesammelt, ein oder zwei Kitesurfer warten auf guten Wind, am Wochenende ist ein bisschen mehr los, dann sind sogar die letzten Sonnenliegen besetzt – aber wir alle hier sind eindeutig die letzten Mohikaner.

Ich bleibe drei Nächte in Cervia, produziere einen Beitrag für den DLF über Corona in Bergamo. Neben dem langen, fast menschenleeren Sandstrand wächst im Ortsteil Pinarella ein Pinienwald, in dem man auch schön spazieren gehen kann. Von kurzen Regenschauern abgesehen ist es noch warm, T-Shirt-Wetter, wenn ich nicht bekennende Frostbeule wäre, könnte ich sogar noch im Mittelmeer schwimmen.

Cervia war früher für den Salzhandel berühmt: Es liegt neben einer Saline, die früher dem Papst gehörte. Bis heute gilt das in Cervia gewonnene Salz als das beste Italiens, weil es besonders rein ist. Cervia lockt im Winter auch mit einer Therme. Ich überlege, dort zu wellnessen, denn ich liebe Thermen, aber der happige Eintrittspreis ist mir dann doch zu hoch. Ich gehe lieber Schwimmen und Duschen im öffentlichen Hallenbad, das kostet nur 6,50, was immer noch mehr ist, als Schwimmbäder in Deutschland nehmen. Nein: Ein besonders günstiges Reiseland ist bella Italia nicht, aber schön!

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Dann fahre ich weiter nach Rimini. Nur so, aus Neugierde. Aber Rimini, der Ballermann der italienischen Adria, ist gar nicht so übel: Immerhin 150.000 Einwohner, also keine reine Badestadt, im Sommer belebt und Winter mausetot, sondern eine ebenso alte wie lebendige italienische Großstadt. Ich lade in einem Vodafone-Shop meine SIM-Karte auf, das hat online nämlich nicht geklappt. Der Inhaber ist mürrisch, weil er eigentlich gerade Mittagspause machen will. Aber egal: Hauptsache das Internet ist für einen Monat wieder gesichert.

Die Sonne knallt vom Himmel, darum parke ich am Strand, vor einem der 1.500 Hotels, vor der Nummer 68 der 250 Seebäder, die hier im Sommer nicht weniger als 40.000 Sonnenschirme aufspannen: unglaublich. Im Juli und August muss es hier zugehen wie in einer Brutkolonie von Küstenseeschwalben. Der Lärmpegel ist dann wahrscheinlich auch vergleichbar, abends geht es dann in den hunderten Diskos weiter: Traumurlaub.

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Einer von 40.000…

Der 15 Kilometer lange Strand ist wirklich gigantisch. Bagger schieben den goldenen Sand zusammen, von dem hier alle leben, damit die Winterstürme nicht allzu viel davon wegblasen. Jetzt liegt der Teutonengrill, das Synonym des Massentourismus, verlassen da. Während der ersten Corona-Welle hatten sie alle panische Existenzangst, erzählte mir die schon erwähnte Einheimische, die hier auch ihren Hund spazieren führt: einen schwarzen Labrador. Marina di Rimini lebt einzig und allein vom Massentourismus. Der Sommer sei dann aber gut gelaufen.

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Heutzutage kommen statt der Deutschen in Massen vor allem Russen und Italiener nach Rimini, lese ich später bei Wikipedia. Und auch: „Entlang der Küstenstraße arbeiten mindestens 2.500 Frauen als Prostituierte, darunter viele Minderjährige aus Osteuropa, immer mehr Prostituierte kommen auch aus Afrika. Die meisten Zuhälter werden der albanischen Mafia zugerechnet.“

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