Familien-Urlaub unterm Affenbrotbaum, Lagos, Sagres und der ferne Westen

13. Dezember 2021 | Portugal

Frohe Kunde aus der Heimat: Mein einziger und heiß geliebter Bruder Alexander kommt mich besuchen, hurra! Er fliegt von Hannover nach Faro, mit TAP. Die Airline hat den Spitznamen „take another plane“, zu Recht, wie wir alsbald erfahren müssen. Zuerst fahre ich aber guter Dinge nach Faro und bin so früh am Flughafen, dass ich erst einmal im nahen Pingo Doce-Supermarkt einkaufen gehe und mich dann auf einen Parkplatz an der Lagune von Faro stelle, der nur anderthalb Kilometer vom Flughafen entfernt ist.

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Gar nicht schlecht für einen Parkplatz am Flughafen

Ich habe uns für eine Woche eine schöne Ferienwohnung auf einer Quinta bei Lagos gemietet. Denn ein Camper ist mein Bruder nicht, und im „Libertu“ wäre auch kein Platz: Als Gästebett habe ich 40 Zentimeter neben der Hecktür anzubieten. Um 16 Uhr soll er landen, doch schon gegen 15 Uhr klingelt mein Telefon: TAP ist viel zu spät in Hannover abgeflogen und nun ist in Lissabon der Anschlussflug nach Faro weg. Der nächste um 17:00 ist voll, er soll die letzte Maschine um 23:00 nehmen. Geht’s noch?

Wir beratschlagen und kommen überein, dass er sich in Lissabon einen schönen Abend macht, mit Stockfisch und Fado und einen Flug am nächsten Morgen nimmt. So geschieht es. Ich bleibe auf dem Parkplatz einfach stehen: Wie praktisch, wenn frau mit ihrem Wohnmobil zum Flughafen gekommen ist! Die Nacht ist erstaunlich ruhig, erst um 06:00 morgens geht es wieder los mit den An- und Abflügen. Zu Fuß sind es nur wenige Minuten zum kilometerlangen Strand von Faro.

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Hurra, endlich da!

Gegen 10:00 Uhr trudelt der Bruder pünktlich ein und es kann los gehen zur „Quinta Alfarrobeira“ am Rand des Dörfchens Odiáxere bei Lagos. Die Anfahrt zerkratzt mir ein bisschen den Lack, aber das Opfer lohnt sich: Die „Affenbrotbaum-Quinta“ liegt im Schatten desselben auf einem Hügel. Die alten Gebäude sind wunderschön restauriert, der Pool aus Natursteinen schmiegt sich wie ein blau leuchtendes Juwel zwischen Palmen und Olivenbäume. Es gibt Hühner, Hunde und zwei Pferde, wir können jeden Morgen Orangen und Zitronen vom Baum pflücken.

Unsere Ferienwohnung ist groß und gemütlich, mit einem offenen Kamin und alten Azulejos im Bad, das wir uns mit einer Riesenspinne teilen: Ein Traum! Die Quinta, nicht die Spinne. Die hockt an der Decke, zieht dann unkluger Weise in die Seifenablage um, von wo aus sie vor die Tür gesetzt wird.

Geschaffen haben dieses kleine, nachhaltige Paradies Inge und Theo: Ein Paar aus den Niederlanden, das schon mehr als 20 Jahre hier lebt. Theo war Designer und Architekt, hatte irgendwann keine Lust mehr auf Karriere und Stress, suchte hier in der Algarve ein einfacheres Leben. Gemeinsam haben sie drei Kinder großgezogen, die Quinta stilgerecht restauriert, ein zweites Haus angebaut und jüngst das Nachbargrundstück gekauft.

Auf den weiteren sechs Hektar soll nach ihren Vorstellungen ein kleines Dorf entstehen: Eine ökologische Gemeinschaft, mit Permakultur, Agroforstwirtschaft, einem Café, einem Ort für Kultur und anderem, was den Mitgliedern dieses neu zu gründenden „Stammes“ so einfällt. 

Auf der Quinta Alfarrobeira könnten man gut und gerne eine ganze Woche in der Hängematte schaukeln, aber der Bruder soll ja auch etwas sehen von der schönen Algarve. Und so fahren wir nach Cabo de Sao Vicente, an den südwestlichsten Punkt Europas. Am Rand der Küstenstraße nördlich von Sagres stehen viele Surfer-Bullis. Die Parkplätze sind fast alle mit Erdwällen verbarrikadiert: Campen ausdrücklich und offensichtlich mehr als unerwünscht.

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Am Cabo de Sao Vicente

An dem windumtosten Kap donnern die Wellen unten an die Steilküste, Angler werfen ihre Leinen von der 70 Meter hohen Klippe. Man hat einen herrlichen Ausblick auf die Costa Vicentina: Die unverbaute Westküste des Alentejo, mit ihren langen Sandstränden in sanft geschwungenen Buchten. Wir sitzen auf der Terrasse des kleinen Leuchtturm-Cafés und lassen uns die Sonne auf die winterblasse respektive gebräunte Nase scheinen.

Im nahen Städtchen Sagres an der äußersten westlichen Spitze der Algarve besichtigen wir die Festung. Die riesige Fortaleza de Sagres liegt auf einem Felsplateau hoch über dem Meer, ihre wuchtigen, weiß gekalkten Mauern weisen alle zur Stadt, nicht zum Meer. Denn die Steilklippen boten einen natürlichen Schutz: Die konnten die Piraten nicht erklimmen. Sie landeten also in einer Bucht in der Nähe und kamen dann von der Landseite.

Vom Inneren der Festung sieht man nicht mehr viel: Eine Kapelle steht noch, ehemalige Stallungen und ein geheimnisvoller Steinkreis, der wohl als Windrose gedeutet wird. Hier in der Fortaleza lernten nämlich angeblich die künftigen Entdecker an der Seefahrerschule Heinrichs des Seefahrers die Grundlagen der nautischen Kunst. Doch das kann auch nur eine Legende sein, für die Seefahrerakademie gibt es keinen historischen Beleg.

Wiki: „Heinrich der Seefahrer (* 4. März 1394 in Porto; † 13. November 1460 in Sagresportugiesisch Infante Dom Henrique de Avis, genannt O Navegador) war Initiator, Schirmherr und Auftraggeber der portugiesischen Entdeckungsreisen in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts. Die von ihm initiierten Entdeckungsfahrten entlang der westafrikanischen Küste begründeten die portugiesische See- und Kolonialmacht und stellen den Beginn der europäischen Expansion dar.

Heinrich selbst unternahm keine Entdeckungsreisen. Seinen Beinamen verdankt er seinem Einsatz als Förderer der Seefahrt. Er war sehr belesen und kannte die Berichte früher Entdeckungsreisender nach Asien wie Marco PoloWilhelm von Rubruk oder des arabischen Weltreisenden Ibn Battuta. Heinrichs Grabstätte befindet sich im Komplex der Königlichen Grabkapellen im Kloster von Batalha.“

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Heute führt um die Festung herum ein Spazierweg auf den Klippen herum, im Wind, mit der tosenden Brandung im Ohr. Auf dem ebenso riesigen Parkplatz verlieren sich einige wenige Wohnmobile. Am Stadtstrand zu übernachten wird Gerüchten gemäß in der Surferstadt Sagres noch geduldet.

Am nächsten Tag fahren wir nach Albufeira: Als wir Kinder waren, vor 40 Jahren, haben wir hier mit unserer alleinerziehenden Mutter Urlaub gemacht. Unvergessliche, sonnendurchströmte Ferien am herrlichen, glasklaren Meer. Damals war Albufeira ein lauschiges kleines Fischerdorf mit ein paar Gäste-Appartements und kleinen Hotels. Mittlerweile ist es das Top-Ziel in ganz Portugal für Party-Touristen vor allem aus Großbritannien.

Die Betonmischer haben gewütet, ein Tunnel führt zur Praya, ein gläserner Aufzug verbindet die Beach mit der auf einem Felsen erbauten Altstadt. Souvenirshops, Kneipen, Discos, Bars: Außer der einzelnen steilen Felsnadel am Strand von Albufeira erkennen wir nicht mehr viel wieder. Trotzdem: Ich hatte es mit (noch) schlimmer vorgestellt: Bettenburgen und Hochhäuser wie in Armacao oder Portimao gibt es hier nicht, die zahllosen Hotels und Appartementhäuser sind relativ flach.

So sieht es dagegen in Portimao aus:

Lagos, 50 Kilometer weiter westlich, wurde vom Bau-Boom verschont. Hier wohnt man in kleinen Stadt-Hotels oder Pensionen. Die Quinta Alfarrobeira liegt wie erwähnt nur wenige Kilometer vom hübschen historischen Zentrum von Lagos entfernt.

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In den sanierten Kopfsteinpflastergassen und rund um die entzückenden Plätze mit ihren Brunnen gibt es jede Menge kleiner Läden, viele geschmackvolle Einrichtungsgeschäfte und Modeboutiquen. Sie zielen auf wohlhabende Touristen, die hier auch gerne Wohnungen erwerben: Gefühlt steht die halbe Altstadt zum Verkauf, es gibt fast so viele Immobilienmakler wie Restaurants.  

Aber auch das alltägliche portugiesische Leben pulsiert hier noch: Kleine Tante-Emma-Läden, Turban tragende Inder in ihren Handyshops, Manuel, der in der Rua Dr. António José de Almeida 14A seit Jahrzehnten für kleines Geld Fahrräder repariert: Auf der Suche nach seiner winzigen Werkstatt, an der kein Schild hängt, irre ich durch die Gassen, halte schließlich einem älteren Passanten mein Handy mit dem Google-Maps-Eintrag vor die Augen, und er sagt: „Das bin ich, das ist meine Werkstatt“. Für zehn Euro erneuert er an meinem Klapprad die auf den Hügeln Portos und Coimbras ruinieren Bremsklötze und stellt die Gangschaltung neu ein. Muito obrigada, Manuel!

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Dank Manuel kann ich endlich wieder bremsen und schalten

Lagos war im Mittelalter ungeheuer reich, denn hier löschten die Segelschiffe nach ihren Fahrten nach Westindien und Afrika ihre kostbaren Ladungen: Gold, Gewürze und Sklaven. 1444 ist der erste Sklavenmarkt in Lagos belegt. Das bedrückende Gebäude ist erhalten, am Rand der Praca Infate Dom Henrique, auf der das Denkmal des Entdeckerförderers steht.

Durch das kurios kuratierte Stadtmuseum gelangt man in die Kirche Santo António, in deren Barockpracht sich der Reichtum manifestiert, der auf der Ausbeutung der Kolonien und dem Menschenhandel beruhte.

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