Dolce far niente am Lago di Como

11. September 2020 | Italien

Dolce far niente am Lago di Como 1
.Jetzt bitte bloß keinen Gegenverkehr…

Oha! Die Uferstraße am östlichen „Arm“ des Lago di Como ist schmal, sehr schmal. Wenn mir jetzt ein Lastwagen oder ein Bus entgegenkommt, ist guter Rat teuer. Links die steile Felswand, rechts der zauberhafte See: Blau, klar, die Sonne glitzert auf niedlichen, kleinen Wellen, die an die steinigen Ufer schwappen. Aber: Ausweichstellen gibt es nicht wirklich, die Kurven sind nicht einsehbar, weswegen ich, wie in südlichen Gefilden eben üblich, fleißig auf die misstönende Boxer-Hupe drücke. Das norditalienische Schild „Nicht hupen!“ werde ich erst einige Tage später entdecken. Und südlich von Rom dann auch nie wieder sehen…

Ich wusste nicht, dass der Comer See, drittgrößter der norditalienischen Seen nach dem Lago Maggiore und dem Garda, der in einem Gletscherbecken liegt, in das er an seiner tiefsten Stelle mehr als 400 Meter hinabreicht, geteilt ist: in einen westlichen (mit Como am südlichen Ufer) und einen östlichen Arm: Reisen bildet. Die kurze Fahrt über Lecco hierher war tunnelreich und führte durch arge Schlaglöcher: Eine Erfahrung, die sich im Laufe der Zeit in Italien noch vertiefen sollte…

Es ist ein herrlicher, sonniger Tag, und ich habe die schöne Idee, mich hier irgendwo hin zu stellen und noch ein bisschen Urlaub zu machen. Nach einem anstrengenden Dreivierteljahr, mit der wegen Dieselgate abgebrochenen ersten Reise, die mich im Januar 2020 eigentlich nach El Hierro führen sollte. Der Auflösung meines gesamten Hausstandes inklusiver einwöchiger Putzaktion. Und mit der ersten Corona-Welle, an der dann die neuen Reisepläne zerschellten. Ein bisschen relaxen, sonnen und schwimmen, bevor die sicher betrübliche Corona-Recherchearbeit hier in der Lombardei beginnt, in und um Bergamo, dem Ground Zero der ersten Seuchen-Welle im Frühjahr.

Doch überall diese steilen Felswände, wohin mit dem Grauwal? Da: Ein Parkplatz, klein, aber lauschig. Kurz vor Onno. Das erinnert mich an den Roman „Die Entdeckung des Himmels“ des niederländischen Schriftstellers Harry Mulisch. Eine der Hauptfiguren heißt Onno Quist. Und weil ich das Buch bis auf den grauslichen Umgang mit den Frauenfiguren und das verquere Ende sehr mochte, halte ich hier jetzt mal an. Und weil es sehr warm ist und schon auf Mittag zugeht: Essenszeit.

Die Freude an der Nahrungsaufnahme ist eine der Eigenschaften, die Kinu und ich gemeinsam haben: Schon seit einer Stunde spüre ich die bohrenden Blicke durch die Rückenlehne des Fahrersitzes. Mein Tierschutz-Hund ist als Welpe fast verhungert, extrem sensibel, leidet unter chronischer Gastritis und bekommt darum drei kleine Mahlzeiten täglich. Die halbe Heckgarage ist voll mit seinem Spezialfutter…

Die kleine Parkbucht liegt direkt an der Küstenstraße und außerdem hängt hier ein Schild: No Camping! Übernachten verboten, mahnt die zuständige Kommune. Wo es so ausgesprochen unerwünscht ist, mag ich auch nicht frei stehen. Es hilft also nichts: Kochen, Hund füttern, Campingplatz suchen.

Der nächste liegt nur einen Steinwurf entfernt, im wahrsten Sinne des Wortes. Wir stehen quasi direkt vor der Einfahrt von Camping & Bar La Fornace. Bis Oktober sind sie noch auf, erzählt mir die junge Frau an der Rezeption. Sie spricht Englisch, die Bar macht erfolgreich auf Neo Hippie Style, mit Hängematten und durchgesessenem Sofa am Seeufer: sehr nett. Mit rund 20 Euro pro Nacht ziemlich teuer, aber hey: Ist halt Lago di Como, George Clooney wohnt irgendwo nebenan.

Ich stelle mich auf einen der letzten Schattenplätze und gehe erstmal schwimmen: herrlich. Das Wasser ist schön kühl (Gletscherbecken, 425 Meter tief!) und ziemlich klar, nur die ein oder andere Plastikflasche dümpelt auf den Wellen, die schnittige Motorboote verursachen, die über die blauen Wellen flitzen. Der Campingplatz bietet neben der Badestelle einen Streifen grünen Grases, dorthin trage ich meinen herrlich bequemen Campingstuhl (danke Imke!), etwas abseits einer Gruppe lauthals palavernder junger ItalienerInnen mit todschicken verspiegelten Sonnenbrillen, lege die Füße an einem Baum hoch und lasse den lieben Gott den Rest des Tages einen guten Mann sein: Oh wie dolce ist das far niente. Und wie viel zu selten geübt.  

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