Französisch-deutsche wechselhafte Geschichte: Straßburg

11. April 2022 | Deutschland, Frankreich, Geschichte und Kultur

Nach knapp sieben Monaten rolle ich bei Colmar wieder über die Grenze nach Deutschland. Die Heimat empfängt mich Anfang April mit Orkanböen, Dauerregen und einstelligen Temperaturen. Aber es ist schön, sich wieder mühelos verständigen zu können. In Emmendingen bei Freiburg im Breisgau bin ich mit Bekannten verabredet: Steffie und Martin. Sie fahren einen selbstausgebauten Kastenwagen, mit dem Steffie künftig auch mal allein auf Tour gehen möchte. Da gibt es natürlich viel zu erzählen. Ich übernachte bei den beiden in der Straße, darf netterweise Badezimmer und Dusche genießen und abends gehen wir lecker Essen im „Haus der Kulturen.“

Von Emmendingen ist es gar nicht mehr weit nach Lahr im Schwarzwald. Hier wohnt meine Tante Waltraud, die vorher 30 Jahre lang in Tunesien gelebt hat. Regen, Regen, Regen und morgen soll es schneien: Nächstes Jahr komme ich frühestens im Mai wieder zurück nach Deutschland. Der kleine Stellplatz bei Lahr ist wirklich nett, man muss aber bar bezahlen. Und zwar mit Münzen! Nach Monaten in Italien und Frankreich, wo frau alles und jedes mit EC-Karte bezahlen kann, auch zwei Euro für Frischwasser, kommt man sich in Deutschland immer vor wie im Freilichtmuseum. Das vielerorts noch schlechte Internet tut ein Übriges dazu.

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Nett gelegen: Der Stellplatz am Stadtrand von Lahr

Am nächsten Mittag speisen wir herrlich in dem mit einem Michelin-Stern ausgezeichneten Stammlokal der Tante: Hotel „Adler“ in Reichenbach. Netterweise darf ich mal wieder auf dem Parkplatz übernachten.

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Weil es von hier aus nur ein Katzensprung nach Straßburg ist, wo ich noch nie war, mache ich einen kleinen Schlenker nach Kehl. Das deutsche Städtchen liegt gegenüber von Straßburg (Frankreich). Dort gibt es einen Stellplatz ganz nahe des Flussufers, im Schatten der Europabrücke, wo man schön mit dem Hund spazieren kann. Denn zu meiner großen Überraschung liegt Straßburg am Rhein! Mitten im Fluss verläuft die Länder-Grenze. Reisen bildet.

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Stellplatz „Am Wasserturm“ in Kehl

Nach Straßburg rein fahre ich dann mit dem Klapprad. Aber erst am nächsten Tag: Es gibt viel Arbeit mit einem Manuskript über Andalusiens maurisches Erbe und der elenden Umsatzsteuer des ersten Quartals.

Straßburg oder auch Strasbourg ist mit seinen knapp 300.000 Einwohnern die Metropole der Region Grand Est. Auch viele Europäische Institutionen haben hier ihren Sitz: Europarat, Europaparlament, Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte. Straßburg nennt sich darum auch Hauptstadt Europas.

Mir erweist sie sich radelnd als Stadt der Flüsse, Stadt der Brücken. Straßburg liegt mit seinen östlichen Stadtteilen nicht nur am Rhein, sondern auch am Ill. Beide Flüsse teilen sich in viele Nebenarme, die einstigen Hafendocks werden zu schicken Lofts umgebaut.

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Die mittelalterliche Altstadt liegt auf der vom Ill umflossenen Grand Ile, der „Großen Insel“. Dieser Teil der Stadt ist uralt: Schon Gregor von Tours schrieb 589 über „Strateburgum“, die befestigte Burg an der Heerstraße. Im Mittelalter entwickelte sich Straßburg zu einem wichtigen Handelszentrum, unter der Herrschaft zweier Patrizierclans, die miteinander in Dauer-Fehde lebten, weshalb es am Rathaus zwei Eingänge gab: Einen für die Müllenheims und einen für Mitglieder der Familie Zorn.

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Heute friedlich: Bürger von Strasbourg

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Auch sonst war man streitbar: Als der Bischof versuchte, die Rechte der Stadt einzuschränken, kam es 1262 zum offenen Krieg. Die Kirche verlor die Schlacht und Straßburg wurde Freie Reichsstadt.  Später gehörte es lange zu Frankreich, wurde 1871 dann im neu gegründeten Deutschen Reich Hauptstadt von Elsaß-Lothringen. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde sie gemäß des Versailler Vertrages 1919 wieder Frankreich zugesprochen. Um nach dem Einmarsch der Wehrmacht 1940 wieder von Deutschland annektiert zu werden. Um dann 1945 wieder französisch zu werden.

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Heute sind Altstadt und Neustadt unter dem Titel Straßburg: von der Grande-Île zur Neustadt, eine europäische Stadtszenerie UNESCO-Weltkulturerbe.

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Endlich scheint die Sonne mal wieder: Ich radele durch die breiten Straßen der Neustadt, die Sonne glitzert auf dem Wasser, die moderne Großstadt Straßburg pulsiert vor Leben.

Dann geht es in die schmalen Gassen der Altstadt.

Hier führen alle Wege zum Straßburger Münster aus rosa Vogesensandstein, das sich wie erwartet als gewaltig erweist.

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Passt gar nicht aufs Foto, so gewaltig – das Straßburger Münster

Die Cathédrale Notre-Dame de Strasbourg ist eine der bedeutendsten Kathedralen der Architekturgeschichte Europas. Der Bau begann 1176 und war erst 1439 fertig: 263 Jahre später.

Mit seinem 142 Meter hohen Nordturm (der Südturm wurde nie gebaut) war das Straßburger Münster Jahrhunderte lang das höchste Gebäude der Welt (Dubais Burj Khalifa ist heute das höchste: 828 Meter).

Abends klingt der Tag mit einem leckeren Elsässer Wurstsalat nebenan auf dem Campingplatz aus. Dort steht man nett kreuz und quer auf Wiese, soll aber 28 Euro zahlen für eine Person ohne Strom: No merci.

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