Die Provence: Blühender Lavendel, der Duft von Thymian und die lichtdurchfluteten Bilder von Cézanne und van Gogh haben mein Bild von dieser Region zwischen den 3.000 Meter hohen Gipfeln der Haute Provence im Nordosten und der flachen Lagunenlandschaft Camargue im Südwesten geprägt. Auf meinem Weg zur deutschen Grenze liegt als erstes: Avignon, die Stadt der Päpste.
Der Campingplatz findet sich auf einer Insel in der Rhone, an deren Unterlauf die Stadt liegt. Mit Blick auf die berühmte Brücke, die das Lied „Sur le pont d’Avignon“ besingt…. Das ist auch schon das Beste, was man über ihn sagen kann. Der Platz ist in der Saison bestimmt eine Goldgrube, da könnte man das Sanitärhaus nach 50 Jahren mal ein bisschen sanieren. Irgendwann ist Verfall so weit fortgeschritten, da hilft dann auch kein Putzen mehr. Aber egal, was uns nicht umbringt, macht uns härter. Ein paar Kollegen stehen am Ufer der Rhone frei, ich überlege kurz, mich dazu zu gesellen, aber es ist mir dann doch zu unsicher: Man hört doch ziemlich viel über Einbrüche in Südfrankreich.
Was für eine wunderschöne, prächtige Stadt! Ich bin hierhergekommen, um den Palast der Päpste anzuschauen, aber den empfinde ich eher als eine düstere Angelegenheit. Von 1309 bis 1417 residierten neun Päpste – quasi im Exil – in Avignon. Aus politischen Gründen, die man hier nachlesen kann: https://de.wikipedia.org/wiki/Avignonesisches_Papsttum
Sie waren nicht zu beneiden: Der Palast gilt als einer der bedeutendsten gotischen Profanbauten Europas. Aber drohend über den Gassen der Stadt thronend wirkt er auf mich wie ein düsterer Klotz. Das liegt sicher auch am eiskalten Mistral. Der heftige Wind verwandelt Avignon an diesem 12. März in einen nur 12 Grad kalten Kühlschrank.
Die Altstadt von Avignon aber – ein Traum! Die Damen sind selbst für französische Verhältnisse auffällig elegant gekleidet. Kein Wunder: Es gibt wunderschöne Boutiquen. Gott sei Dank ist heute Sonntag und alle haben zu. Als ich merke, wie mich der Gedanke beschleicht, bis morgen zu bleiben und ein wenig einkaufen zu gehen, mache ich, dass ich wegkomme. Die Dieselpreise verbieten jeglichen Konsum. Der eisige Wind und die dunklen Wolken passen nicht so recht zu dieser Stadt, die man sich sonnendurchflutet vorstellen muss.
Weiter geht es zur Domaine Moulin Saint Augustine bei Oppede. Der Oliven-Bauernhof ist Mitglied bei France Passion. Als ich abends ankomme, ist niemand da, das macht aber bei France Passion nichts: Man stellt sich einfach hin und wartet, bis die Besitzer auftauchen.
Nach einer ruhigen, regnerischen Nacht mache ich am nächsten Morgen einen schönen Spaziergang entlang eines Flüsschens, vorbei an Weinreben und Lavendelfeldern. Noch sind sie weit davon entfernt, lila zu blühen und die Landschaft mit ihrem Duft zu erfüllen.
Endlich kommt die Sonne mal wieder ein bisschen heraus. In den Hainen werden die Weinreben zurückgeschnitten. Eine alte Tradition: Griechen und Römer pflanzten hier die ersten Reben und auch Olivenbäume. Heute ist der nahe Frühling spürbar: Bienen summen um Weidenkätzchen. Zurück auf der Domaine ist Maitre Frédéric Nibbio mittlerweile in Erscheinung getreten. Getreu dem France Passion-Deal kaufe ich Olivenöl und Olivenpaste. Auch hier ist der Klimawandel ein großes Problem: Es regnet nicht mehr genug, sagt Monsieur Nibbio.
Eher zufällig komme ich an Bonnieux vorbei: Parke am Sportstadion und schlendere durch das sehr hübsche Örtchen, das malerisch am Berghang klebt und von dieser seiner pittoresken Lage lebt. Rundherum kann man sicher sehr schön wandern, gleich nebenan liegt ein Campingplatz, der Mitte April öffnet.
Als nächstes erwähnt mein Reiseführer Lourmarin, eines der „schönsten Dörfer Frankreichs“, bekannt für sein Schloss aus dem 15. Jahrhundert. Ich erreiche Lourmarin nach einer spektakulären Anfahrt über ein Bergsträßchen auf dem dankenswerter Weise kaum Gegenverkehr herrschte.
Lourmarin ist tatsächlich sehr schön. Das Farbkonzept stimmt, die vielen Kunst-Galerien warten ebenso auf zahlungskräftige Sommer-Kundschaft, wie die zahlreichen Immobilienmakler: Während man im benachbarten Bonnieux noch erfährt, dass man eine halbe Million Euro für ein Häuschen hinblättern muss, stehen hier die Preise gar nicht mehr dabei.
Es wirkt ein bisschen wie eine Filmkulisse für „Ein Jahr in der Provence“ oder dergleichen: Eine Bilderbuch-Provence für wohlhabende Briten oder Amerikaner. Aber sehr hübsch, keine Frage. All diese niedlichen, schmalen Gässchen. All diese hübschen kleinen Lädchen. Aber Achtung: Auf den Parkplätzen warnen Schilder vor Dieben.
Am Rand von Cucuron übernachte ich mit France Passion wieder in einem Olivenhain. Am nächsten Morgen finde ich nach einigem Suchen einen Parkplatz im Dorf und eile auf den Markt. Der wird auf dem Dorfplatz am Wasserbecken unter noch kahlen Platanen abgehalten. Cucuron hat nicht nur einen niedlichen Namen, es ist auch ein ganz entzückendes Örtchen, aber nicht so überkandidelt wie Loumarin.
Aix-en-Provence ist mein nächstes Ziel. Mittlerweile sind die Temperaturen auf 18 Grad gestiegen. Ich checke auf dem Campingplatz Chantecler ein: Der ist riesig, besteht aus zehn (!) Hektar bewaldeter Hügel. Auf den 500 Plätzen verlieren sich derzeit schätzungsweise 20 WoMos. In einem wohnt ein Student als Dauercamper, der sich die Miete im schicken Aix nicht leisten kann. Aber auch der Campingplatz ist teuer: 20 Euro, ohne Strom, allein vier Euro für den Hund! Aber so ist das nun mal hier in der Provence. Die Mitarbeiter sind sehr nett. Irgendeine skrupellose Mitcamperin klaut mir allerdings mein neues, ausnahmsweise teures und herrlich duftendes Duschöl, das ich für zwei Minuten in der Damen-Dusche vergesse, nachdem ich es das erste Mal benutzt habe. Sauerei!
Es sind nur einige wenige Kilometer zur Altstadt von Aix, die schaffe ich locker mit dem kleinen Klapprad. Erst zu Orange: Eine SIM-Karte und mehr Giga besorgen, als mein Vodafone-Vertrag im Ausland bereitstellt (nämlich nur magere 60 GB). Dann an einem großen Brunnen vorbei zum Prachtboulevard Cours Mirabeau: Hier saß schon Paul Cézanne in den Cafés – der Maler und Wegbereiter der Moderne ist nämlich in Aix aufgewachsen.
Südlich des Cours Mirabeau erkunde ich am ersten Tag das Quartier Mazarin: das Villenviertel mit alten Palais der wahrscheinlich auch heute noch tonangebenden reichen Familien. Eine schöne Stadt ist das: Alt, ehrwürdig, voller Geschichte. Und sehr teuer. Wer noch ein paar Millionen anlegen möchte, kann sich bei den zahllosen Edel-Immobilienmaklern ein Schloss oder sonstigen Landsitz zulegen. Oder ein schickes Apartment in der Altstadt von Aix.
Am nächsten Tag streife ich kreuz und quer durch die Gassen und über die Plätze der Altstadt. Mit Sonnenschein und Wärme wäre es wahrscheinlich noch schöner. Die Auslagen der Geschäfte sind unglaublich aufwändig und edel gestaltet: Tee- und Käseläden muten wie die Filialen berühmter Juweliere an, die natürlich auch ihre Niederlassungen in Aix haben. Man könnte hier stundenlang einkaufen – wenn man vorher erfolgreich eine Bank überfallen hätte. Ich erstehe aus Versehen ein Stück weißen Nougat, nicht mal besonders groß. „Macht dann bitte 40 Euro, Madame“, flötet die Studentin an der Kasse. Schluck.
Die Studenten machen aus Aix-en-Provence auch eine lebendige Universitätsstadt mit einer offensichtlich vielfältigen Kulturszene.
Dem Tipp einer geschätzten Kollegin folgend lande ich in dem kleinen Museum „Hotel Caumont“. Die Ausstellung reißt mich jetzt nicht so von den Füßen, aber das Café – Mon Dieu! Und die Tarte au Citron ist wie versprochen ein Traum…
Avignon und Aix-de-Provence: Ich würde sie gerne einmal wiedersehen, wenn es warm ist, man ohne Heizpilze draußen auf den Terassen sitzt und einen Spritz schlürft oder einen kühlen – natürlich provenzalischen – Rosé.
Wunderschöne elegante Städte, schon fast zu idyllische Dörfer mit Fensterläden in herrlichen, grau-grünen Farben: Die Provence hat zweifellos viel Charme und einen eigenen Zauber. Doch so ganz entfaltet sie den, glaube ich, dann doch erst im Juni, wenn sie von Wärme und Licht durchflutet ist, der Lavendel blüht und der Thymian duftet.
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