22. Juni 2020
Es ist soweit: Ich starte ins „Vanlife“ – zum zweiten Mal und wegen Dieselgate und Corona mit sechs Monaten Verspätung. „Libertus“ netter Stellplatz im Nachbardorf ist gekündigt, der Wassertank voll, die Lithium-Batterien dank Sonnenschein ja sowieso immer: Es kann losgehen.
Weit komme ich nicht: Die erste Nacht verbringe ich in der Einfahrt guter Freundinnen in der Nachbarschaft, die mir auch in den letzten anstrengenden Wochen fest zur Seite standen: Ich wurde bekocht, meine Wäsche gewaschen, weil meine Waschmaschine schon ausgezogen war: danke, ihr Lieben! Wir plantschen im Pool, sitzen abends auf der Terrasse, schlemmen ein opulentes Abschiedsmahl.
Die Trennung fällt schwer: Keine gemeinsamen Hundegänge mit schöner Regelmäßigkeit mehr. Ich werde noch öfter vorbeikommen, allein schon, weil meine alternden Eltern in Potsdam wohnen. Aber doch meistens unterwegs und woanders sein.
Am 24. Juni breche ich auf in die Nordwestuckermark. Ich habe dort drei Geschichten für das Deutschlandradio zu recherchieren. Eine traumschöne Gegend an der Grenze zwischen Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern, zwischen Feldberger Seenlandschaft und Müritz: Eiszeitliche Hügel, Wälder, kleine Dörfer, viele, viele Seen. Vor allem die Strecke zwischen Templin und Fürstenwerder ist so schön, dass frau aussteigen und sich mit Schwung ins Getreidefeld werfen will, zu den Kornblumen und Mohnblumen, die am Rand noch wachsen dürfen.
Es ist kochend heiß, an die 30 Grad: Ich mache mir ein bisschen Sorgen um den Hund, denn der fährt unterm Tisch mit, mit einem Geschirr angeschnallt, um sich im Fall einer Vollbremsung nicht in ein fliegendes Geschoss zu verwandeln. Aber auf dem Fußboden hinter dem Fahrerinnensitz erreicht ihn der kühle Luftstrom der Klimaanlage nicht: Hechelhechel. Ein Tischventilator muss her, oder ich muss ihm beibringen, auf dem Beifahrersitz Platz zu nehmen.
Am Nachmittag komme ich auf dem Parkplatz der großen Badestelle am Breiten Luzin bei Feldberg an: Von einem Interviewpartner als WoMo-Übernachtungsgeheimtipp empfohlen. Ein Parkplatz am Waldesrand, Schatten unter hohen Bäumen, 50 Meter zum See, 2 Euro für den ganzen Tag: Genial! Leider aber WoMo-Verbot von 22 bis 06 Uhr, Mist: Übernachten unerwünscht.
Erst einmal egal: Der Luzin entpuppt sich als großer, wunderschöner See inmitten von Buchenwäldern, ein Traum. Das Wasser ist weich, glasklar und nach der langen Fahrt herrlich erfrischend. Die Badestelle ist eine Wiese am Ufer, viele Familien sind hier mit gigantischen, aufblasbaren Gummitieren, Bäume am sandigen Ufer spenden Schatten und eine Pommesbude gibt es auch.
Erst abends um 21 Uhr fahre ich weiter: Zum Gutshof Kraatz im gleichnamigen Dorf im benachbarten Brandenburg. Auf dem Gutshof Kraatz keltern Edda Müller und Florian Profitlich Weine, köstliche Seccos und Säfte aus alten Streuobstwiesen. Es ist Mittwoch, die zum Hof gehörende Weinschänke geschlossen, die Inhaber sind nicht da, haben mir aber den Weg zum Stellplatz im Obstgarten hinterm Haus gewiesen.
Edda Müller und Florian Profitlich machen mit bei „Landvergnügen“: Nach dem Vorbild von „France Passion“ in Frankreich können Wohnmobilisten eine Nacht umsonst bei Biobauern, Winzern, Ziegenhaltern oder auf Straußenfarmen stehen. Dafür wird erwartet, dass wir im Hofladen ein bisschen einkaufen oder falls es ein Hofcafé gibt, dort einkehren. Ein Muss ist das nicht.
So verbringe ich eine erste ruhige Nacht auf einer idyllischen Obstwiese unter Apfelbäumen – ein schöner Start ins „Vanlife“. Zumal sich am nächsten Morgen herausstellt, dass es in der Scheune ein Bad mit Dusche gibt, so dass ich den Wassertank im Van schonen kann. Sogar mit flauschiger Fußmatte und Fön! Vom guten Essen in der Weinschänke ganz zu schweigen: Lecker, lecker, mit Gemüse vom Bio-Bauern aus dem Nachbardorf.
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